06.05.2005

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junge Welt


*   Leben für den Widerstand
Von Pascal Beucker

Ein Nachruf auf Grete Humbach. Die Kölner Kommunistin und Antifaschistin starb nur wenige Wochen nach ihrem 100. Geburtstag.

Grete HumbachDie Bilder von Marx und Lenin hingen bis zuletzt in ihrem Zimmer im Seniorenhaus »St. Maria«. Und auch ihre Wünsche und Träume von einer besseren, gerechteren Welt hatte sich Grete Humbach bis zum Schluß bewahrt: »Ich werde es nicht mehr erleben, aber die Hoffnung, daß es sich positiv ändert, habe ich nach wie vor«, sagte die Kölner Kommunistin und antifaschistische Widerstandskämpferin in einem Gespräch noch kurz vor ihrem 100. Geburtstag am 22. Februar dieses Jahres.

Keine Stunde für den Krieg

Grete Humbach konnte auf ein langes, bewegtes Leben zurückblicken. Mit fünfzehn Jahren trat sie 1920 der Sozialistischen Arbeiterjugend SAJ bei. 1923 zog sie mit ihrem späteren Mann Ferdi nach Köln um. Mit ihm zusammen wechselte sie ein Jahr später zu den Jungsozialisten und von dort in den Internationalen Kampfbund ISK. 1931 fanden die beiden ihre endgültige politische Heimat: die Kommunistische Partei. »Mein Vater hat sich damals mächtig aufgeregt, als ich in die KPD gegangen bin«, erinnerte sich Grete Humbach gegenüber dem Autor. »Das hat er nie begreifen können.« Aber wie auch? »Mein Vater war alter Sozialdemokrat.«

Auch während der Nazizeit waren die Humbachs für die KPD aktiv – nun allerdings illegal und konspirativ. Bereits im Jahr der Machtübernahme 1933 wurde Ferdi das erste Mal verhaftet – nicht das letzte Mal. Nichtsdestotrotz beteiligten sich die Humbachs 1943 an der Gründung der Kölner Gruppe des »Nationalkomitees Freies Deutschland« (NKFD), der mit bis zu 200 Mitgliedern am besten organisierten und größten Widerstandsorganisation der letzten Kriegsjahre in der Domstadt.

Ihre Wohnung im Sülzgürtel 8 diente dem antifaschistischen Kreis als geheime Anlaufstelle. Mit Flugblättern, Klebezetteln und Wurfmaterialien wurden Arbeiter zur Sabotage der Kriegsproduktion und Soldaten zur Desertion aufgerufen: »Arbeiter und Soldaten: Keine Stunde für den Krieg. Geht nicht zur Front. Kämpft mit uns für den Frieden. Für die Freiheit. Für die Volksfront. Gegen die Nazis! Komitee der Volksfront.« Doch im Herbst 1944 wurde die Gruppe ausgehoben. »Alles flog auf, als ein Genosse unter schwerster Folter schließlich unsere Adresse preisgegeben hatte«. Die komplette Leitung des Komitees und insgesamt 59 Mitglieder wurden verhaftet. Mehrere Mitglieder starben in der Gestapohaft. Auch Grete, Ferdi und Heinz Humbach wurden in das Gestapo-Sondergefängnis Brauweiler verbracht. Nur der ältere Sohn Gerd wurde nicht inhaftiert: Er war zu der Zeit Soldat an der Ostfront.

Als die Westfront näherrückte, wurden die Gefangenen im Februar 1945 ins Zuchthaus nach Siegburg verlegt. Hier erkrankte Grete lebensbedrohlich an Flecktyphus. Aber sie hatte trotzdem Glück: Bei einem Transport in ein Arbeitslager kam sie gemeinsam mit sechs anderen Frauen im Bergischen frei: »Als die Tiefflieger näherkamen, durften wir zur Seite gehen. Danach sind wir einfach nicht mehr mitgegangen. Niemand kümmerte sich darum.« Die Gruppe kam in der Scheune einer Bauersfrau unter. »Ein oder zwei Tage später waren die Amerikaner da, und wir waren befreit.« Auch ihr Mann und ihr Sohn Heinz überlebten die Nazi-Torturen. Sie konnten kurze Zeit später aus Wetzlar nach Köln zurückkehren.

»Geheimbündelei«

Es begann die Zeit des Wiederaufbaus. Grete Humbach gehörte dem Entnazifizierungsausschuß für den Regierungsbezirk Köln an. Ihr Mann war Stadtverordneter im ersten Kölner Rat nach dem Krieg. Aber seine Gesundheit war stark angegriffen: In der Nazi-Haft war er an Lungentuberkulose erkrankt. Ferdi Humbach starb im September 1947. Zusammen mit ihren beiden Söhnen engagierte sich Grete Humbach in der Folgezeit in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) – und natürlich weiter in der KPD. So organisierte sie die KPD-Kinderaktion »Frohe Ferien für alle Kinder«, die Reisen in die DDR durchführt. Das brachte ihr in der hysterisch antikommunistischen Stimmung der frühen Bundesrepublik eine Vorladung vor den Untersuchungsrichter ein. Nach dem KPD-Verbot 1956 wurde gegen sie mehrfach wegen »Geheimbündelei« und »Staatsgefährdung« ermittelt. Anders als ihre Söhne Heinz und Gerd, die in der Adenauer-Ära beide fast zwei Jahre in Haft verbringen mußten, wurde sie allerdings nie verurteilt. Die Zeiten der illegalisierten Parteiarbeit endeten erst 1968 mit der Gründung der DKP. Natürlich war Grete Humbach eine der Mitgründerinnen.

Bis in die 1980er Jahre hinein blieb sie politisch aktiv und fehlte auf kaum einer Demonstration im Rheinland. Sie sei »so eine Art Berufsdemonstrantin« gewesen, erinnert sich ihre Schwiegertochter Helga. Irgendwann mußte auch Grete Humbach dem Alter ihren Tribut zollen. In ihren letzten Jahren hörte und sah sie nicht mehr gut, konnte auch nicht mehr laufen.

Dennnoch verfolgte sie aufmerksam das politische Geschehen: »Ich lese noch sehr viel.« So verbitterte sie denn auch der wieder aufkeimende Neofaschismus tief: »Daß die wieder so erstarken konnten, ist mir unbegreiflich.« Wie gerne wäre sie auch noch mit ihren 100 Jahren gegen die alten und die neuen Nazis auf die Straße gehen! Aber es gingt nicht mehr.

An dem Haus im Sülzgürtel 8 erinnert heute eine Gedenktafel an die Kölner Gruppe des NKFD. »Ich würde alles genauso wieder machen«, sagte Grete Humbach im Rückblick auf ihr bewegtes Leben. Nur wenige Wochen nach ihrem 100. Geburtstag verstarb die unerschütterliche Kommunistin und Antifaschistin in der Nacht vom 19. zum 20. April. Ihre Beisetzung findet am 10. Mai auf dem Kölner Südfriedhof statt.


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