Ein Nachruf auf
Grete Humbach. Die Kölner Kommunistin und Antifaschistin starb nur
wenige Wochen nach ihrem 100. Geburtstag.
Die Bilder von Marx und
Lenin hingen bis zuletzt in ihrem Zimmer im Seniorenhaus »St.
Maria«. Und auch ihre Wünsche und Träume von einer besseren,
gerechteren Welt hatte sich Grete Humbach bis zum Schluß bewahrt:
»Ich werde es nicht mehr erleben, aber die Hoffnung, daß es sich
positiv ändert, habe ich nach wie vor«, sagte die Kölner
Kommunistin und antifaschistische Widerstandskämpferin in einem
Gespräch noch kurz vor ihrem 100. Geburtstag am 22. Februar dieses
Jahres.
Keine
Stunde für den Krieg
Grete Humbach konnte
auf ein langes, bewegtes Leben zurückblicken. Mit fünfzehn Jahren
trat sie 1920 der Sozialistischen Arbeiterjugend SAJ bei. 1923 zog sie
mit ihrem späteren Mann Ferdi nach Köln um. Mit ihm zusammen
wechselte sie ein Jahr später zu den Jungsozialisten und von dort in
den Internationalen Kampfbund ISK. 1931 fanden die beiden ihre
endgültige politische Heimat: die Kommunistische Partei. »Mein Vater
hat sich damals mächtig aufgeregt, als ich in die KPD gegangen bin«,
erinnerte sich Grete Humbach gegenüber dem Autor. »Das hat er nie
begreifen können.« Aber wie auch? »Mein Vater war alter
Sozialdemokrat.«
Auch während der
Nazizeit waren die Humbachs für die KPD aktiv – nun allerdings
illegal und konspirativ. Bereits im Jahr der Machtübernahme 1933
wurde Ferdi das erste Mal verhaftet – nicht das letzte Mal.
Nichtsdestotrotz beteiligten sich die Humbachs 1943 an der Gründung
der Kölner Gruppe des »Nationalkomitees Freies Deutschland« (NKFD),
der mit bis zu 200 Mitgliedern am besten organisierten und größten
Widerstandsorganisation der letzten Kriegsjahre in der Domstadt.
Ihre Wohnung im
Sülzgürtel 8 diente dem antifaschistischen Kreis als geheime
Anlaufstelle. Mit Flugblättern, Klebezetteln und Wurfmaterialien
wurden Arbeiter zur Sabotage der Kriegsproduktion und Soldaten zur
Desertion aufgerufen: »Arbeiter und Soldaten: Keine Stunde für den
Krieg. Geht nicht zur Front. Kämpft mit uns für den Frieden. Für
die Freiheit. Für die Volksfront. Gegen die Nazis! Komitee der
Volksfront.« Doch im Herbst 1944 wurde die Gruppe ausgehoben. »Alles
flog auf, als ein Genosse unter schwerster Folter schließlich unsere
Adresse preisgegeben hatte«. Die komplette Leitung des Komitees und
insgesamt 59 Mitglieder wurden verhaftet. Mehrere Mitglieder starben
in der Gestapohaft. Auch Grete, Ferdi und Heinz Humbach wurden in das
Gestapo-Sondergefängnis Brauweiler verbracht. Nur der ältere Sohn
Gerd wurde nicht inhaftiert: Er war zu der Zeit Soldat an der
Ostfront.
Als die Westfront
näherrückte, wurden die Gefangenen im Februar 1945 ins Zuchthaus
nach Siegburg verlegt. Hier erkrankte Grete lebensbedrohlich an
Flecktyphus. Aber sie hatte trotzdem Glück: Bei einem Transport in
ein Arbeitslager kam sie gemeinsam mit sechs anderen Frauen im
Bergischen frei: »Als die Tiefflieger näherkamen, durften wir zur
Seite gehen. Danach sind wir einfach nicht mehr mitgegangen. Niemand
kümmerte sich darum.« Die Gruppe kam in der Scheune einer Bauersfrau
unter. »Ein oder zwei Tage später waren die Amerikaner da, und wir
waren befreit.« Auch ihr Mann und ihr Sohn Heinz überlebten die
Nazi-Torturen. Sie konnten kurze Zeit später aus Wetzlar nach Köln
zurückkehren.
»Geheimbündelei«
Es begann die Zeit des
Wiederaufbaus. Grete Humbach gehörte dem Entnazifizierungsausschuß
für den Regierungsbezirk Köln an. Ihr Mann war Stadtverordneter im
ersten Kölner Rat nach dem Krieg. Aber seine Gesundheit war stark
angegriffen: In der Nazi-Haft war er an Lungentuberkulose erkrankt.
Ferdi Humbach starb im September 1947. Zusammen mit ihren beiden
Söhnen engagierte sich Grete Humbach in der Folgezeit in der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) – und natürlich
weiter in der KPD. So organisierte sie die KPD-Kinderaktion »Frohe
Ferien für alle Kinder«, die Reisen in die DDR durchführt. Das
brachte ihr in der hysterisch antikommunistischen Stimmung der frühen
Bundesrepublik eine Vorladung vor den Untersuchungsrichter ein. Nach
dem KPD-Verbot 1956 wurde gegen sie mehrfach wegen »Geheimbündelei«
und »Staatsgefährdung« ermittelt. Anders als ihre Söhne Heinz und
Gerd, die in der Adenauer-Ära beide fast zwei Jahre in Haft
verbringen mußten, wurde sie allerdings nie verurteilt. Die Zeiten
der illegalisierten Parteiarbeit endeten erst 1968 mit der Gründung
der DKP. Natürlich war Grete Humbach eine der Mitgründerinnen.
Bis in die 1980er Jahre
hinein blieb sie politisch aktiv und fehlte auf kaum einer
Demonstration im Rheinland. Sie sei »so eine Art
Berufsdemonstrantin« gewesen, erinnert sich ihre Schwiegertochter
Helga. Irgendwann mußte auch Grete Humbach dem Alter ihren Tribut
zollen. In ihren letzten Jahren hörte und sah sie nicht mehr gut,
konnte auch nicht mehr laufen.
Dennnoch verfolgte sie
aufmerksam das politische Geschehen: »Ich lese noch sehr viel.« So
verbitterte sie denn auch der wieder aufkeimende Neofaschismus tief:
»Daß die wieder so erstarken konnten, ist mir unbegreiflich.« Wie
gerne wäre sie auch noch mit ihren 100 Jahren gegen die alten und die
neuen Nazis auf die Straße gehen! Aber es gingt nicht mehr.
An dem Haus im
Sülzgürtel 8 erinnert heute eine Gedenktafel an die Kölner Gruppe
des NKFD. »Ich würde alles genauso wieder machen«, sagte Grete
Humbach im Rückblick auf ihr bewegtes Leben. Nur wenige Wochen nach
ihrem 100. Geburtstag verstarb die unerschütterliche Kommunistin und
Antifaschistin in der Nacht vom 19. zum 20. April. Ihre Beisetzung
findet am 10. Mai auf dem Kölner Südfriedhof statt.