29.08.2002



Interview mit Erwin K. Scheuch

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taz

*   Klüngelkritik wegzensiert
Von Pascal Beucker

Der Kölner Soziologieprofessor Erwin K. Scheuch sieht sich in seiner Kritik an den Kölner Verhältnissen bestätigt: "Eine solche Offenheit wäre untypisch für Köln gewesen."

Erwin K. ScheuchHerr Scheuch, im September erscheint im Bachem-Verlag das Buch "Ganz unter uns". Das Buch sollte auch ein von Ihnen und Ihrer Frau Ute verfasstes Kapitel enthalten. Warum wird es fehlen?

Erwin K. Scheuch: In der Werbung für das Buch hieß es, es würde in ihm "der reale kölsche Klüngel, d.h. wenn ,Pfründe' und ,Fründe' etwas miteinander zu tun haben," aufgedeckt. In letzter Sekunde hat der Verlag wohl gemerkt, dass eine solche Offenheit für Köln und einen Kölner Verlag völlig untypisch wäre. Auch die Werbung wurde geändert. Jetzt soll nichts mehr aufgedeckt werden - wie immer in Köln.

Ist Ihnen mitgeteilt worden, welche konkreten Passagen in Ihrem Text den Verlag zu seiner Entscheidung bewogen haben?

Erwin K. Scheuch: Nein, uns ist zunächst überhaupt nichts von Seiten des Verlages mitgeteilt worden. Wir hatten die letzte Redaktionssitzung am 1. Juli. Da wurden die Druckfahnen ausgetauscht. Dann flogen wir zum Weltkongress für Soziologie nach Australien. Als wir wiederkamen, war der Beitrag gelöscht. Erst nachdem wir die Verlagsleitung schriftlich aufgefordert hatten, uns zu erklären, warum unser Beitrag gestrichen wurde, bekamen wir am 22. Juli ein lapidares Schreiben des Cheflektors, in dem es heißt, der Text könne nicht aufgenommen werden, weil der Verlag "rechtliche wie auch ökonomische Konsequenzen" befürchte.

Halten Sie diese Befürchtung für gerechtfertigt?

Erwin K. Scheuch: Ökonomische Konsequenzen wären sicherlich möglich gewesen. Köln-Bücher gibt es wie Sand am Meer und sie sind in der Regel außerhalb Kölns unverkäuflich. Normalerweise legt man daher ein solches Buch in der Hoffnung auf, dass dann irgendeine potente wirtschaftliche Kölner Einheit einen Teil der Auflage aufkauft, um die Exemplare an Weihnachten zu verschenken. Falls beabsichtigt, wäre dieses Geschäft wohl gefährdet gewesen, weil in vielen führenden Stellen großer Unternehmen, insbesondere der öffentlichen Hand, auch Parteisoldaten sitzen. Die angeführte Befürchtung rechtlicher Konsequenzen entbehrt allerdings jeglicher Grundlage. In unserem Beitrag sind keine Vorfälle und Personen genannt, die nicht in den von uns erwähnten Zusammenhängen bereits in Veröffentlichungen aufgeführt wurden.

In dem Schreiben des Bachem-Verlages heißt es, Ihr Manuskript müsse zurückgewiesen werden, weil "eine Vielzahl von Personen und Ereignissen in einer Form mit dem Kölner Klüngel in Verbindung gebracht wurden, die wir als Kölner Verlag so nicht veröffentlichen können". Welche Personen und welche Ereignisse dürfen für einen Kölner Verlag nicht in Verbindung mit dem Klüngel gebracht werden?

Erwin K. Scheuch: Offenbar all diejenigen, die in unserem wegzensierten Kapitel auftauchen: die Fraktionsvorsitzenden der großen Parteien, der Oberbürgermeister, ein Bankier, der den Esch-Fond aufgelegt hat, mit dem die KölnArena gebaut wurde, und noch einige mehr - eben die Respektpersonen des politischen und wirtschaftlichen Alltags in Köln. Nicht zuletzt darf natürlich auch der Verleger Alfred Neven DuMont nicht im Zusammenhang mit dem Kölschen Klüngel Erwähnung finden.

Hat der Verlag denn vorher nicht gewusst, was er sich einhandelt, wenn er Sie als Autor holt?

Erwin K. Scheuch: Ich verstehe das auch nicht. Zudem hatten wir ja auch schon von Anfang an durch die Wahl des Titels "Der Kölner als solcher beherrscht das Klüngeln (manchmal) in Perfektion" kenntlich gemacht, worum es gehen wird. Die vorgenommene Streichung erfolgte übrigens gegen den erklärten Willen des Herausgebers. Er hat uns geschrieben, unser Beitrag habe ihm ausgesprochen gut gefallen und er empfinde er die Herausnahme durch die Verlagsleitung als "einen Substanzverlust des Buches".

Glauben Sie, dass es Einflussnahmen von außen auf den Verlag gegeben hat, Ihr Kapitel zu kippen?

Erwin K. Scheuch: Das kann ich nicht ausschließen.

Hat es Sie verwundert, dass nur überregionale und nicht die Kölner Tageszeitungen über diesen Fall berichtet haben?

Erwin K. Scheuch: Nein. Hätten Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau oder Express etwas dazu gebracht, wären wir ins Schwanken gekommen, ob wir unser Kapitel nicht doch umschreiben müssten. Da heißt es nämlich: "Wenn dann noch die lokale Presse mitspielt und aus welchen Gründen auch immer seit Jahren mit Interna von Entscheidungen zumindest rücksichtsvoll umgeht, dann helfen nur noch Medien, die ihren Schwerpunkt außerhalb Kölns oder zumindest nicht nur in Köln haben." Aber die DuMont-Medien haben uns nicht in die Bredouille gebracht. Sie haben genau das geschrieben, was wir erwartet haben: nichts. Wir sehen uns also mal wieder bestätigt. Leider.


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