Der
Kölner Soziologieprofessor Erwin K. Scheuch sieht sich in seiner
Kritik an den Kölner Verhältnissen bestätigt: "Eine solche
Offenheit wäre untypisch für Köln gewesen."
Herr
Scheuch, im September erscheint im Bachem-Verlag das Buch "Ganz
unter uns". Das Buch sollte auch ein von Ihnen und Ihrer Frau Ute
verfasstes Kapitel enthalten. Warum wird es fehlen?
Erwin
K. Scheuch: In der Werbung für das Buch hieß es, es würde in
ihm "der reale kölsche Klüngel, d.h. wenn ,Pfründe' und ,Fründe'
etwas miteinander zu tun haben," aufgedeckt. In letzter Sekunde
hat der Verlag wohl gemerkt, dass eine solche Offenheit für Köln und
einen Kölner Verlag völlig untypisch wäre. Auch die Werbung wurde
geändert. Jetzt soll nichts mehr aufgedeckt werden - wie immer in Köln.
Ist
Ihnen mitgeteilt worden, welche konkreten Passagen in Ihrem Text den
Verlag zu seiner Entscheidung bewogen haben?
Erwin
K. Scheuch: Nein, uns ist zunächst überhaupt nichts von Seiten
des Verlages mitgeteilt worden. Wir hatten die letzte
Redaktionssitzung am 1. Juli. Da wurden die Druckfahnen ausgetauscht.
Dann flogen wir zum Weltkongress für Soziologie nach Australien. Als
wir wiederkamen, war der Beitrag gelöscht. Erst nachdem wir die
Verlagsleitung schriftlich aufgefordert hatten, uns zu erklären,
warum unser Beitrag gestrichen wurde, bekamen wir am 22. Juli ein
lapidares Schreiben des Cheflektors, in dem es heißt, der Text könne
nicht aufgenommen werden, weil der Verlag "rechtliche wie auch ökonomische
Konsequenzen" befürchte.
Halten
Sie diese Befürchtung für gerechtfertigt?
Erwin
K. Scheuch: Ökonomische Konsequenzen wären sicherlich möglich
gewesen. Köln-Bücher gibt es wie Sand am Meer und sie sind in der
Regel außerhalb Kölns unverkäuflich. Normalerweise legt man daher
ein solches Buch in der Hoffnung auf, dass dann irgendeine potente
wirtschaftliche Kölner Einheit einen Teil der Auflage aufkauft, um
die Exemplare an Weihnachten zu verschenken. Falls beabsichtigt, wäre
dieses Geschäft wohl gefährdet gewesen, weil in vielen führenden
Stellen großer Unternehmen, insbesondere der öffentlichen Hand, auch
Parteisoldaten sitzen. Die angeführte Befürchtung rechtlicher
Konsequenzen entbehrt allerdings jeglicher Grundlage. In unserem
Beitrag sind keine Vorfälle und Personen genannt, die nicht in den
von uns erwähnten Zusammenhängen bereits in Veröffentlichungen
aufgeführt wurden.
In
dem Schreiben des Bachem-Verlages heißt es, Ihr Manuskript müsse zurückgewiesen
werden, weil "eine Vielzahl von Personen und Ereignissen in einer
Form mit dem Kölner Klüngel in Verbindung gebracht wurden, die wir
als Kölner Verlag so nicht veröffentlichen können". Welche
Personen und welche Ereignisse dürfen für einen Kölner Verlag nicht
in Verbindung mit dem Klüngel gebracht werden?
Erwin
K. Scheuch: Offenbar all diejenigen, die in unserem wegzensierten
Kapitel auftauchen: die Fraktionsvorsitzenden der großen Parteien,
der Oberbürgermeister, ein Bankier, der den Esch-Fond aufgelegt hat,
mit dem die KölnArena gebaut wurde, und noch einige mehr - eben die
Respektpersonen des politischen und wirtschaftlichen Alltags in Köln.
Nicht zuletzt darf natürlich auch der Verleger Alfred Neven DuMont
nicht im Zusammenhang mit dem Kölschen Klüngel Erwähnung finden.
Hat
der Verlag denn vorher nicht gewusst, was er sich einhandelt, wenn er
Sie als Autor holt?
Erwin
K. Scheuch: Ich verstehe das auch nicht. Zudem hatten wir ja auch
schon von Anfang an durch die Wahl des Titels "Der Kölner als
solcher beherrscht das Klüngeln (manchmal) in Perfektion"
kenntlich gemacht, worum es gehen wird. Die vorgenommene Streichung
erfolgte übrigens gegen den erklärten Willen des Herausgebers. Er
hat uns geschrieben, unser Beitrag habe ihm ausgesprochen gut gefallen
und er empfinde er die Herausnahme durch die Verlagsleitung als
"einen Substanzverlust des Buches".
Glauben
Sie, dass es Einflussnahmen von außen auf den Verlag gegeben hat, Ihr
Kapitel zu kippen?
Erwin
K. Scheuch: Das kann ich nicht ausschließen.
Hat
es Sie verwundert, dass nur überregionale und nicht die Kölner
Tageszeitungen über diesen Fall berichtet haben?
Erwin
K. Scheuch: Nein. Hätten Stadt-Anzeiger, Kölnische
Rundschau oder Express etwas dazu gebracht, wären wir ins
Schwanken gekommen, ob wir unser Kapitel nicht doch umschreiben müssten.
Da heißt es nämlich: "Wenn dann noch die lokale Presse
mitspielt und aus welchen Gründen auch immer seit Jahren mit Interna
von Entscheidungen zumindest rücksichtsvoll umgeht, dann helfen nur
noch Medien, die ihren Schwerpunkt außerhalb Kölns oder zumindest
nicht nur in Köln haben." Aber die DuMont-Medien haben uns nicht
in die Bredouille gebracht. Sie haben genau das geschrieben, was wir
erwartet haben: nichts. Wir sehen uns also mal wieder bestätigt.
Leider. |