21.06.2001



Interview mit Karl Heinz Pütz

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taz

*   Der Aussteiger
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Karl-Heinz PützDer Kulturmanager Karl Heinz Pütz war das Enfant terrible in der SPD-Ratsfraktion: ein linker Quereinsteiger mit eigenem Kopf und großer Abneigung gegen provinziellen Mief. Jetzt hat er sein Mandat zurückgegeben. Er hat keine Lust mehr auf den Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden".

Vor zwei Jahren galten Sie noch als der Shootingstar der Kölner SPD. Jetzt treten Sie von ihrem Ratsmandat zurück. Woran sind Sie gescheitert?

Karl Heinz Pütz: Von einem Scheitern im großen politischen Sinne will ich nicht sprechen, weil ich mich nie so wichtig genommen habe, als dass ich meine Arbeit für derartig entscheidend für die politische Entwicklung in Köln gehalten hätte. Aber persönlich kann ich schon von einem Scheitern sprechen: Das, was ich bewegen und erreichen konnte, stimmte nicht mit dem überein, was ich mir vorher vorgestellt hatte. Ich habe den Eindruck, dass ich an dem Platz, an dem ich bisher war - im Rat und in einer Fraktion, die mehrheitlich nicht meine Einschätzung teilt - ein großer Teil meiner Energie einfach verpufft ist.

War es Ihnen auf der Oppositionsbank zu unbequem?

Karl Heinz Pütz: Eigentlich ist die Oppositionsbank ein recht schöner Platz - wenn man sie auch wirklich als Oppositionsbank erlebt. Viel schlimmer ist ja, wenn man das Gefühl hat, dem Mitspielen nicht ausweichen zu können und meint, immer mitspielen zu müssen. Ich glaube, dass wir klarer polarisieren müssten. Sonst sind für die Menschen die Unterschiede nicht mehr erkennbar. Und die fragen sich dann: Ist es nicht eigentlich egal, ob man CDU, SPD oder Grüne wählt? Ich finde: Das ist eben nicht egal. Mir ist die Oppositionsrolle, die die SPD im Rat spielt, in vielen Teilen noch nicht klar genug.

Wo hätten Sie sich denn eine verstärkte Oppositionsarbeit der SPD gewünscht?

Karl Heinz Pütz: Zum Beispiel in der Frage der Privatisierung, also im Verschwinden des öffentlichen Sektors. Ich glaube, dass unser Protest dagegen nicht laut genug war.

Sind Sie an Ihrer eigenen Partei gescheitert?

Karl Heinz Pütz: Nein, aber was stimmt: Der Prozess der Erneuerung der SPD nach der verheerenden Wahlniederlage 1999 hat zwar - auch mit der Wahl von Jochen Ott zum neuen Parteivorsitzenden - inzwischen begonnen, aber er geht mir immer noch zu langsam. Ich glaube, dass der Schnitt bisher nicht stark genug war - weder inhaltlich noch personell.

Zu Beginn Ihrer kurzen Ratskarriere haben Sie den SPD-Fraktionschef Norbert Rüther als "Verkörperung des Systems Heugel" bezeichnet und ihn als untauglich für die notwendige Erneuerung Ihrer Partei bezeichnet. Rüther ist immer noch da, Sie gehen nun. Frustriert Sie das nicht?

Karl Heinz Pütz: Die Fraktionsarbeit unter Rüther ist professionell und geprägt von gekonntem, handwerklich gutem Politikgeschäft. Was ich jedoch vermisse, ist die Einsicht in die Reformnotwendigkeit der Sozialdemokratie.

Ansonsten haben Sie sich mit Rüther inzwischen arrangiert?

Karl Heinz Pütz: Arrangiert nicht. Nach wie vor vertreten wir inhaltlich unterschiedliche Auffassungen in der Frage, wie und wohin sich die SPD in Köln entwickeln soll.

Ihre Partei hat den Vorschlag Fritz Schrammas euphorisch begrüßt, Schoko-König Hans Imhoff und Medienzar Alfred Neven DuMont die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Entspricht das auch Ihrer Auffassung?

Karl Heinz Pütz: Ich kann mich in dieser Frage der SPD-Fraktionsmehrheit nicht anschließen und hätte im Rat dagegen gestimmt. Das hat weniger mit den beiden Personen zu tun, die vorgeschlagen sind, sondern mit dem System, wie diese Frage der Ehrenbürgerschaft gestellt wird. Man kann nicht hingehen und Bürger für erfolgreiches wirtschaftliches Handeln belohnen. So ein Unternehmer kann mit einem Preis der IHK ausgezeichnet werden. Aber es ist nicht die Aufgabe des Stadtrates und nicht die Aufgabe der Kölner Bürgerschaft, dieses zu tun. Insofern sind also die Kriterien, nach denen hier vergeben wird, falsch.

Was kritisieren Sie noch an den Vorschlägen?

Karl Heinz Pütz: Im Fall Alfred Neven DuMont ist zudem besonders pikant, dass ein großer Teil der politischen Öffentlichkeit in Köln auch nur über seine Medien statt findet. Das heißt: Da belobigt man denjenigen, von dem man gleichzeitig auch die Belobigung seiner politischen Arbeit erwartet. Im Fall von Hans Imhoff ist es so, dass er eine große Konfliktfigur der 70er und 80er Jahre in Köln war - sowohl was den Umgang mit seinen Arbeitnehmern anging wie auch durch seine Immobilientätigkeit. Da gibt es zumindest ein stark gebrochenes Verhältnis. Von der politischen Brisanz her würde ich sagen: Wenn die Stadt Imhoff ehren will, dann müsste auf jeden Fall Kurt Holl mit auf den Zettel. Das wäre ausgewogen.

Sie treten also nicht ausgerechnet deshalb gerade jetzt zurück, um zu vermeiden, im Stadtrat gegen die Ehrenbürgerschaften zu stimmen und damit vor allem den Ärger Neven DuMonts auf sich zu ziehen?

Karl Heinz Pütz: So ängstlich bin ich nicht. Ich vertraue einfach darauf, dass ich mit meiner kritischen Haltung zu dem System, wie hier Ehrenbürgerschaften vergeben werden, in dieser Stadt nicht alleine stehe. Dass nur wenige die Möglichkeit haben, dieses laut zu sagen und deren Kritik auch nur wenig Publizität finden dürfte, ist eine ganz andere Frage. Ich persönlich freue mich darüber, die Unabhängigkeit zu haben, mich dazu eindeutig äußern zu können. Was haben diejenigen, die hier ausgezeichnet werden sollen, wirklich für diese Stadtgesellschaft geleistet? Heinrich Böll war für mich zum Beispiel ein ganz wichtiger Kölner Ehrenbürger. Der hat so viel über diese Stadt und für diese Stadt gesagt und getan, dass das eine hohe Identifikation bringt. Das kann bei einem Unternehmer nicht gelingen. Das Problem ist doch: Dieser symbolische Akt der Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Neven DuMont und Imhoff fördert bei den Kölnern die Erkenntnis, dass die Leistungsträger dieser Stadt in Politik, Wirtschaft und Handel mal wieder etwas ausgeklüngelt haben.

Werden Sie nach Ihrem Ratsausstieg weiter in der SPD aktiv sein?

Karl Heinz Pütz: Ja - und ich will das auch mit meiner neu gewonnen Freiheit tun. Ohne das Ratsmandat kann ich mich unabhängiger innerhalb der Partei bewegen. Ich glaube, dass es bei Jochen Ott tatsächlich ein Bemühen gibt, einen neuen Weg zu gehen. Dabei wird er Unterstützung gebrauchen können.

Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann in die Politik zurückzukehren?

Karl Heinz Pütz: Mal sehen. Doch dafür müsste ich für mich einen wirklichen Gestaltungsraum erkennen. Unter anderen Voraussetzungen, bei anderen Ratskonstellationen könnte das durchaus eine Option sein. Was mir wichtig ist: Die Kölner Kommunalpolitik - und das schließt alle Parteien ein - hat große Defizite in ihrem Metropolenverständnis. Große Teile derer, die Verantwortung in der Stadt tragen, denken immer noch zu provinziell. Köln will seine Metropolenrolle nicht annehmen und ist viel zu sehr auf sich selbst fixiert. Dabei muss die Stadt im Wettbewerb der europäischen Metropolen antreten. Mit Events wie dem Rheinfeuerwerk und der Bierbörse bewerben wir uns eher in der Liga "Unser Dorf soll schöner werden".


z u r  p e r s o n

Karl Heinz Pütz

Als Karl Heinz Pütz im Januar 1999 bekanntgab, für den Stadtrat zu kandidieren, galt er noch als der "aufgehende Stern am Kölner SPD-Himmel (Express). Kölns führende Boulevardzeitung schlagzeilte damals: "Feten-König als SPD-Messias?" Und Pütz gab sich kämpferisch: "Wenn ich in die Politik einsteige, dann nicht, um auf den hinteren Bänken Platz zu nehmen." Die damalige Euphorie ist längst verraucht: In der SPD-Fraktion blieb der Quereinsteiger ein Außenseiter. Doch die Hinterbänklerrolle passte nicht auf den 1954 in der Nähe von Köln geborenen Erfolgsverwöhnten. Mit 21 Jahren Szenewirt vom "Chlodwig Eck", war der gelernte Textilkaufmann bereits mit 25 Jahren Besitzer des Luxor und Musikverleger. Er gründete und organisierte das Ringfest, das größte Musikfest der Welt, und soll inzwischen Millionär sein. CDU-Parteichef Richard Blömer bezeichnete ihn deswegen einmal als "sozialistischen Gewinnmaximierer" - für Pütz ein "Ehrentitel". Schließlich sage er doch aus, dass Sozialisten auch geschäftstüchtig sein können. Doch Karl Heinz Pütz ist mehr: Er ist auch Mitbegründer der Künstlerinitiative "Arsch huh", immer noch deren Sprecher, und war Mitveranstalter der großen Demonstration gegen rechts im Dezember vergangenen Jahres.


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