GEGENDEMO Die Organisatoren des
Bündnisses gegen "Pro Köln" sind mit ihrer Strategie des Abpfeifens
zufrieden. Reiner Schmidt über die Gegendemo und die Angst der Polizei
vor Protestkultur.
Herr Schmidt, welche
Bilanz ziehen Sie nach den Demonstrationen gegen den sogenannten
Anti-Islamisierungskongress?
Reiner Schmidt:
Insgesamt ziehe ich eine positive Bilanz: Die Proteste gegen den
"Anti-Islamisierungskongress" waren erfolgreich, sowohl der des
Gewerkschaftsbündnisses "Köln stellt sich quer" als auch unserer. Das
Häuflein von "Pro Köln" hat sich hingegen lächerlich gemacht.
Erfolgreich war auch die Protestform, die wir propagiert haben. Das
"Abpfeifen" auf dem Barmer Platz hat funktioniert - trotz des
erschwerten Zugangs. Es wurde kräftig gepfiffen, es war laut und die
Hetzreden der "Pro Köln"-Funktionäre und ihrer europäischen Gäste waren
in weiten Teilen nicht zu hören.
Allerdings war der
Gegenprotest diesmal deutlich kleiner als im September. Woran lag es?
Reiner Schmidt:
Von
vornherein gab es diesmal in allen Protestspektren nur eine regionale
und keine bundesweite Mobilisierung. Das schafft auch so eine
Protestszene nicht, dass sie alle sechs, sieben Monate so eine gewaltige
Anstrengung hinlegt. Doch wenige waren wir trotzdem nicht.
Die Polizei sagt, dass es
nicht zu Ausschreitungen gekommen sei, habe an ihrer brillanten
Einsatzstrategie und ihrer starken Präsenz gelegen. Ist das so?
Reiner Schmidt:
In der
Tat gab keine größeren Auseinandersetzungen und Ausschreitungen, was gut
ist. Aber das hat seinen Preis gehabt. Entgegen ihren Vorankündigungen
hat die Polizei das Versammlungsrecht problematisch eingeschränkt. Denn
zu dem gehört auch, dass die Polizei bei einer Versammlung unter freiem
Himmel auch Kritikern den Zugang möglich machen muss. Stattdessen hat
sie jedoch Protestierer ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr auf den
Platz gelassen, teilweise in Zusammenarbeit mit "Pro Köln"-Funktionären.
Halten Sie das große
Polizeiaufgebot für gerechtfertigt?
Reiner Schmidt:
Mehr als
5.600 Beamte einzusetzen für eine anderthalbstündige Veranstaltung von
200 Leuten wirkt schon reichlich absurd. Im letzten Jahr hatten wir zur
Blockade aufgerufen, also passivem Widerstand. Diesmal ging es um
Infiltration, um die "Pro Köln"-Veranstaltung von innen heraus
"abzupfeifen". Beides sind ja relativ niedrigschwellige Aktionsformen.
Aber offenkundig hat die Polizei Schwierigkeiten, mit Formen des zivilen
Ungehorsams umzugehen. Darum hat sie im Vorfeld auch Bilder von
möglichen Krawallen gemalt, die zu keinem Zeitpunkt stimmten.
Wegen des
"Abpfeifen"-Aufrufs haben Sie jetzt eine Anzeige am Hals. Rechnen Sie
mit einem Strafverfahren?
Reiner Schmidt:
Mein
Anwalt befürchtet, dass es zu einem Verfahren kommen wird. Es scheint
so, dass ein Exempel statuiert werden soll. Ich finde es jedoch fatal,
wenn auf diese Weise versucht würde, zivilen Ungehorsam zu
delegitimieren. Es handelte sich um die Propagierung einer neuen
Protestkultur und nicht um den Aufruf zu Gewalttaten. Das darf nicht
kriminalisiert werden.
z u r p e r s o n
Reiner
Schmidt
Der 62-Jährige ist einer
der Organisatoren des "Bündnisses gegen ,Pro Köln'".
Der pensionierte Gesamtschullehrer ist außerdem Mitglied der
"Interventionistischen Linken", eines Netzwerks linker Gruppen und
Bündnisse.