06.09.2000 |
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Antifa der Jecken |
Von Pascal Beucker und Marcus
Meier |
Vier
Demokraten, drei Nazis und ein Punk. Im Kölner
Oberbürgermeisterwahlkampf zählten multikulturelle
Büttenreden mehr als Strategien gegen die rechtsextremen
Parteien in der Stadt. Der lange Sommer des Antifaschismus musste ihnen die Sinne getrübt haben. Keine Parteien, nur noch Nazis und Nazi-Gegner wollten die Kölner Oberbürgermeister-Kandidaten erkennnen, als sie sich an einem Abend Ende August auf dem Kölner Roncalli-Platz versammelten. Die nach den Anschlägen von Rostock und Mölln 1992 gegründete antirassistische Kölsche Musiker-Initiative Arsch huh hatte geladen - und vom Punk-Kandidaten Ansgar Imhäuser (0,2 Prozent) bis zum Wahlsieger vom Sonntag, CDU-Mann Fritz Schramma (47,3 Prozent), waren alle gekommen, um über Strategien gegen Rechts zu diskutieren. Auch wenn in Köln sonst jeder Jeck anders ist, herrschte wenige Tage vor den OB-Wahlen im Schatten des Doms demonstrative Einigkeit. Versöhnlich lobte Schramma das Wahlplakat seiner Konkurrentin in der Stichwahl, der am Sonntag deutlich unterlegenen SPD-Kandidatin Anke Brunn (38,9 Prozent) als so »ausgezeichnet«, dass es auch von ihm hätte sein können. Der konsensfähige Brunn-Slogan lautete: »Gegen die Gefahr von rechts!« Gegen die wird der glückliche Gewinner der Stichwahlam 17. September auch die nächsten neun Jahre über ankämpfen können. Denn nach dem Tod des erst im Mai gewählten CDU-OB Harry Blum wird dessen Restamtszeit zur kommenden Legislaturperiode einfach hinzu addiert. Aber micht alle OB-Bewerber waren Ende August zur Debatte vor dem Dom geladen. Denn drei rechtsextreme Kandidaten gab es in diesem Wahlkampf auch: Der Republikaner-Ratsherr Jürgen Heydrich (0,5 Prozent) - ein Großneffe des Nazi-Verbrechers Reinhard Heydrich - wollte ebenso wie der frühere CDUler und Ex-Republikaner Helmut Fleck (0,1 Prozent) - der mit diesem Ergebnis Stadtrat für »Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland« in Siegburg bleibt - in der Domstadt für Ordnung sorgen. Doch auf den Wahlplakaten fiel nur einer auf: Stephan Flug, der selbst ernannte »Kölsche Haider«. Er ging für die Bürgerbewegung Pro Köln ins Rennen und kam auf ein bescheidenes Ergebnis von 0,3 Prozent . Während des Wahlkampfes kam der gescheiterte Kandidat betont bürgerlich bieder daher. »Für die Interessen aller fleißigen und lebensfrohen Menschen in dieser Stadt« wolle er sich einsetzen, sagte er etwa. In Köln war der 33jährige Groß- und Außenhandelskaufmann bis zu den Wahlen ein unbeschriebenes Blatt. So schrieb der Kölner Stadt-Anzeiger fälschlicherweise, er sei bisher nicht politisch aktiv gewesen. In Siegen kennt man Flug besser: Hier war er Kreisvorsitzender der Republikaner und bekam nach einer gemeinsamen Veranstaltung mit Franz Schönhuber Ärger mit der Bundespartei. Pro Köln und ihr »Kölscher Haider« sind die neuesten Produkte aus der Ideenschmiede von Manfred Rouhs, einer der schillerndsten Figuren der rechtsextremen Szene. Der braune Verleger, der sein Geld mit der Produktion und dem Verkauf von Nazi-Musik verdient, gilt als heimlicher Chef von Pro Köln. Er ist deren Schatzmeister, sein Verlag firmierte bis vor kurzem noch als Kontaktanschrift für das Bündnis - und auf ihn ist auch die Homepage des rechten Vereins zugelassen. Seine Karriere begann der 1965 geborene Manfred Rouhs in der Jungen Union, 1981 trat er den Jungen Nationaldemokraten (JN) bei. Von 1985 bis 1987 war er Vorsitzender des nordrhein-westfälischen Landesverbandes, bei der Bundestagswahl 1987 kandidierte er für die NPD. Während seines Jura-Studiums an der Kölner Universität schloss er sich dem Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) an, der Ende der achtziger Jahre an einem knappen Dutzend Hochschulen vertreten war. 1988 gründete Rouhs die Zeitschrift Europa vorn, die Anfang der neunziger Jahre zu einem der bedeutendsten Strategieorgane der extremen Rechten zählte und bis heute - inzwischen unter dem Namen Signal - rechtsextremen Funktionären und Theoretikern wie Franz Schönhuber und David Irving ein Forum bietet. Zusammen mit seinem RFS-Kameraden Markus Beisicht baute Rouhs Ende der achtziger Jahre den Kölner Kreisverband der Republikaner auf und schaffte bei den Kommunalwahlen 1989 den Sprung in den Rat der Stadt. Nachdem sich die beiden mit den Reps überworfen hatten, gründeten sie gemeinsam mit Harald Neubauer, einem ehemaligen MdEP der Republikaner, die Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH). Im Kölner Stadtrat hetzten Rouhs und Beisicht gegen alles vermeintlich Abweichende in der Stadt: gegen Roma und Flüchtlinge, gegen Bettler und Drogenkranke. Und sie verbreiteten antisemitische Hetzschriften, unter anderem gegen den jüdischen Schriftsteller und Holocaust-Überlebenden Ralph Giordano. Für bundesweites Aufsehen sorgte ein Kopfgeld von 1 000 Mark, das die Partei im März 1993 auf eine von Abschiebung bedrohte Roma-Frau aussetzte, die versteckt in Köln lebte. Bei der Kommunalwahl 1994 flog die DLVH aus dem Stadtrat. Rouhs wechselte zwei Jahre später von Köln nach Eschweiler-Dürwiß bei Aachen. Doch sein Versuch, hier ein »nationales Zentrum« aufzubauen, scheiterte. Nach Protesten der Einwohner kehrte Rouhs nach Köln zurück. Dort fand sein Verlag Unterschlupf in einer Eigentumswohnung des Leverkusener Rechtsanwalts Karlheinz Schlaeper. Pro Köln vertritt der in zwei Prozessen gegen die taz köln und den Kölner Express. Beide Zeitungen hatten während des Wahlkampfes über Kontakte Pro Kölns zur neonazistischen Kameradschaft Köln berichtet. Deren Führer Axel Reitz hatte 1998 vor laufenden Kameras verkündet, er wolle politischen Gegnern den Kopf abschlagen. Nicht gut fürs Image der Bürgerbewegung, die sich gerne als »demokratische Alternative« zu den »Altparteien« präsentiert: »Pro Köln sagt ja zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, zu Demokratie und Meinungsfreiheit.« Und nicht nur das: »Nur wer sich unmissverständlich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Landes bekennt, kann Mitglied bei Pro Köln werden.« Leute wie Manfred Rouhs eben. Die extreme Rechte im erzliberalen Köln - wie konnte es nur dazu kommen? Kölns CDU-Chef Richard Blömer hat da so seine eigene Theorie: »Den Nährboden, dass es rechtsextremistische Umtriebe in dieser Stadt gibt, hat die SPD gelegt.« Die Sozialdemokraten waren schockiert von dem »ungeheuerlichen Vorgang«. Die CDU habe damit »die gemeinsame Plattform aller demokratischen Parteien gegen den Rechtsextremismus in Köln verlassen«, so SPD-Bürgermeisterin Renate Canisius. Der mutmaßliche künftige OB Schramma sah sich nach anfänglichem Zögern gezwungen, sich »eindeutig und unmissverständlich« von den Äußerungen seines Parteifreundes zu distanzieren. Danach waren alle wieder nett zueinander. Doch um die »Gefahr von Rechts« zu bannen, will die ehemalige nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Anke Brunn trotz ihrer zu erwartenden Niederlage in der Stichwahl einiges tun. Zum Beispiel »kontinuierlich dranbleiben« am Thema und dabei »permanente Wachsamkeit« zeigen, wie sie beim antifaschistischen Stelldichein auf dem Roncalliplatz versprach. FDP-Kandidat Ralph Sterck (2,0 Prozent) rühmte sich derweil, es »gerne übernommen (zu haben), den Lkw zu sponsern«, auf dem die bahnbrechende Diskussion stattfand. Sein Parteifreund Torsten-Rüdiger Ilg sah das anders. Der zweite Vorsitzende des Ortsverbandes Köln-Mitte schrieb an die Kameraden von Pro Köln: »Ich würde mich freuen, in Zukunft einige nationalliberale, freiheitliche Mitstreiter willkommen heißen zu dürfen.« Das machte sich nicht so gut im Wahlkampf, Ilg trat zurück. Doch davon war Ende August bei der machtvollen Manifestation gegen Rechts nicht die Rede. Und auch Gerd Köster, Arsch-huh-Aktivist und ehemaliger Sänger der Anarcho-Band Schröder Roadshow, wollte gleich alle versöhnen - so auch den Polizeichef Klaus Steffenhagen mit dem Antifa-Aktivisten Christian Geller. Köster versuchte, die »längst fällige Aussprache« zwischen der Polizei und der Antifa Köln in die Wege zu leiten. Aber Geller mochte nicht mitziehen, sei es doch die Polizei gewesen, die in den letzten Jahre Linke und Antifas gejagt und nichts getan habe, um Nazi-Aufmärsche zu verhindern. Der Antifa-Mann: »Natürlich kann man sich an einen Tisch setzen und reden, reden, reden. Bis man grün wird sogar!« Ansgar Imhäuser hielt vom vielen Reden gar nichts. »Die Nazis sollen einfach weg!« lautete der Beitrag des arbeitslosen, 34 Jahre alten Punk-Kandidaten zu der Debatte. Wie das zu bewerkstelligen sei? Na, durch Eigeninitiative natürlich. Stolz berichtete Imhäuser, er habe schon eine ganze Latte an Vorstrafen am Hals - weil er Nazis »auf die Fresse gehauen« habe. Das war das Letzte, was er an diesem Tag sagen durfte. Die Gemeinsamkeit der Demokraten hatte er brüskiert, und seine Mitbewerber ums Amt des OB blickten ratlos in die Menge. |
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