![]() 12.07.2013 |
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Von Pascal Beucker |
Die selbsternannte „Bürgerbewegung
Pro Köln“ hat Ärger mit der Staatsanwaltschaft. Den
Rechtsextremen wird „gewerbs- und bandenmäßiger Betrug“
vorgeworfen. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat Anklage
gegen vier Ratsmitglieder der rechtsextremen „Bürgerbewegung Pro
Köln“ erhoben. Der gegen sie erhobene Vorwurf lautet „gewerbs-
und bandenmäßiger Betrug“. Die Ultrarechten sollen bei der
Abrechnung von Sitzungsgeldern kräftig geschummelt haben. Vor Gericht verantworten sollen sich die „Pro
Köln“-Fraktionsvorsitzende Judith Wolter, ihr Stellvertreter
Jörg Uckermann, Fraktionsgeschäftsführer Markus Wiener sowie das
Ratsmitglied Bernd Schöppe. In der gegen sie gerichteten 64
Seiten starken Anklageschrift, die inzwischen beim Landgericht
Köln eingegangen ist, bemüht sich die Staatsanwaltschaft um die
Aufklärung eines erstaunlichen Phänomens: Seit Jahren fällt die
Fraktion von „Pro Köln“ im Kölner Stadtrat durch einen schier
unbändigen internen Beratungsbedarf auf. Es reiht sich Sitzung
an Sitzung. Allein im Jahr 2010 veranstaltete die selbst
ernannte „Bürgerbewegung“ nach Angaben der Stadtverwaltung 221
Fraktionssitzungen. Zum Vergleich: Die SPD, die die größte
Ratsfraktion stellt, kam lediglich auf 101 Fraktionssitzungen.
Zusätzlich will „Pro Köln“ noch 151 interne
Arbeitskreissitzungen abgehalten haben, macht zusammen 372
Treffen. 2011 steigerte sich das Pensum sogar auf mehr als 480
Meetings. Für ihren augenscheinlichen Versuch, als
sitzungsfreudigste Ratsfraktion der Welt ins Guinnessbuch der
Rekorde zu kommen, bieten sich zwei sich widersprechende
Erklärungen an: „Pro Köln“ behauptet, schlicht „die mit Abstand
fleißigste Fraktion!“ im Rat zu sein. Die Staatsanwaltschaft
glaubt hingegen, dass es sich bei dem vermeintlichen
Sitzungseifer wohl eher um ein geschicktes, aber illegales
Geschäftsmodell zum Abgreifen von Staatsknete handelt. Denn die
Anklagebehörde geht davon aus, dass nicht wenige Sitzungen nur
auf dem Papier stattfanden. „Pro Köln“ hat kräftig abkassiert Hintergrund ist, dass Mitglieder des Kölner
Rates und sachkundige Bürger pro Sitzung eine
Aufwandsentschädigung erhalten. Hinzu kommen noch einmal
Ausgleichsleistungen für mögliche Verdienstausfälle sowie die
Erstattung von Fahrtkosten. Da kann sich einiges zusammen
läppern. Insgesamt kassierten die Ratsmitglieder und die
sachkundigen Bürger von "Pro Köln“ 2010 und 2011 jeweils
städtische Sitzungsgelder in Höhe von etwa 100.000 Euro –
deutlich mehr als alle anderen Parteien. Im Oktober vergangenen Jahres durchsuchten
Fahnder 17 Büros und Wohnungen in Köln, Leverkusen und Berlin,
darunter auch die Räume des „Pro NRW“-Vorsitzenden Markus
Beisicht und des inzwischen in Berlin lebenden „Pro
Deutschland“-Chefs Manfred Rouhs, der bis April 2011 dem Kölner
Stadtrat angehört hatte. Dabei fanden die Ermittler offenbar
genug Belege dafür, dass seit dem Jahr 2008 Sitzungsgelder für
mehrere hundert Fraktionssitzungen abgerechnet wurden, die es
nie gegeben hat. Außerdem sollen „Pro Köln“-Aktivisten Sitzungen
abgerechnet haben, an denen sie nicht teilgenommen haben. Alleine dem Vize-Fraktionsvorsitzenden Jörg
Uckermann, der im Zuge der Ermittlungen mehrere Tage in U-Haft
saß, wirft die Staatsanwaltschaft 223 Betrugsfälle vor. Bei den
drei anderen Beschuldigten sollen 40 bis 46 Sitzungen illegal
abgerechnet worden sein. Antrag auf Nichtzulassung der Anklage In einer Mitteilung bestätigte „Pro Köln“ die
Anklageerhebung. Es handele sich um „an den Haaren herbei
gezogene Verdächtigungen und bösartige Unterstellungen“, wies
die selbsternannte „Bürgerbewegung“ die Vorwürfe zurück. Die
betroffenen Stadträte würden die Nichtzulassung der Anklage
wegen grober inhaltlicher und formaler Fehler beantragen. Außerdem bestritt „Pro Köln“ Meldungen, nach
denen gegen 15 weitere Mitglieder und Sympathisanten noch
ermittelt werde. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft ihre
Untersuchungen gegen einige Funktionäre im Laufe der Woche
mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, bestätigte
Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer der taz. Aber, so Bremer: „Gegen
mehrere Beschuldigte dauern die Ermittlungen an.“ Unter ihnen
befände sich auch „Pro Deutschland“-Chef Manfred Rouhs. Wann es zum Prozess kommt, ist unklar. Laut Landgerichtssprecher Dirk Eßer sei frühestens im Herbst mit der Eröffnung der Hauptverhandlung zu rechnen. Derzeit ist die zuständige 12. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts noch mit einer Autoknackerbande beschäftigt. |
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