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Von Pascal Beucker |
Eine Landesfirma in NRW soll mit
Baugeschäften einen Millionenschaden verursacht haben. Nun wurde der
zweite Untersuchungsausschuss eingesetzt. Wenn er sich schon nicht verhindern lässt, dann
stimmt man lieber dafür. Dank der Piratenpartei stimmten am
Donnerstag alle Fraktionen im nordrhein-westfälischen Landtag für
die erneute Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu dem
dubiosen Treiben des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB). Es
geht um die Verschwendung von Landesgeldern in mehrstelliger
Millionenhöhe - und um den Verdacht von Korruption im großen Stil. Es ist der zweite Versuch, parlamentarisch Licht
in die zwielichtigen Aktivitäten des landeseigenen
Immobilienkonzerns während der Amtszeit der ehemaligen
schwarz-gelben Koalition zu bringen. Konkret soll der
Untersuchungsausschuss sechs Komplexe unter die Lupe nehmen: den
Neubau des Landesarchivs NRW in Duisburg, den Erwerb des Vodafone
Hochhauses in Düsseldorf und des Schlosses Kellenberg bei Jülich,
den geplanten Verkauf des Landesbehördenhauses in Bonn, den
Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums Köln-Kalk sowie den geplanten
und dann wieder verworfenen neuen Campus der Fachhochschule Köln in
der Kölner Südstadt.
Untersucht werden soll eine Reihe
„kaufmännisch sinnloser Entscheidungen“, wie es der Wuppertaler
Oberstaatsanwalt Tilman Baumert diplomatisch formuliert. Seit 2010
ermittelt seine Behörde wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung
und Bestechlichkeit gegen inzwischen mehrere Dutzend Beschuldigte,
darunter den entlassenen BLB-Geschäftsführer Ferdinand Tiggemann. Im
großen Stil soll er Geschäftsinterna verraten und im Gegenzug
Schmiergelder kassiert haben, vermuten die Ermittler. Tiggemann
bestreitet die Vorwürfe. Fakt ist, dass dem BLB unter mysteriösen
Umstanden regelmäßig Grundstücke von privaten Investoren erst
weggeschnappt wurden und dann mit kräftigen Aufschlägen an den BLB
weiterverkauft. Ein Beispiel ist der Neubau
des Landesarchivs NRW im Duisburger Binnenhafen, bei dem die
Gesamtkosten von ursprünglich kalkulierten 51,7 Millionen Euro auf
mehr als 190,4 Millionen Euro explodiert sind. Eine der Ursachen:
Ohne nachvollziehbare Gründe unterließ es der BLB im Frühjahr 2007,
die für den Bau benötigten Grundstücke über eine stadteigene
Duisburger Gesellschaft zu einem Preis von 3,85 Millionen Euro zu
erwerben. Die Stadt verfügte seinerzeit über entsprechende
Vorkaufsrechte. Stattdessen ergatterten die Essener
Immobilienunternehmer Stephan Kölbl und Marcus Kruse die begehrten
Flächen, um sie eineinhalb Jahre später für einen Gesamtpreis von
29,9 Millionen Euro an den BLB weiterzuverkaufen. Fünf Monate um die Arbeit zu beginnen Der erste Anlauf, solche Merkwürdigkeiten
parlamentarisch aufzuklären, endete im März dieses Jahres mit der
überraschenden Selbstauflösung des Landtags. Der im Mai 2011
eingesetzte BLB-Untersuchungsausschuss hatte bis dahin nicht viel zu
Wege gebracht: zu komplex die Materie, zu umfangreich das
Aktenmaterial, zu gering der Aufklärungseifer mancher
Ausschussmitglieder. Ganze fünf Monate benötigte der Ausschuss, um
sich überhaupt zu konstituieren. Weitere fünf Monate dauerte es, bis
die ersten beiden Zeugen vernommen werden konnten. Das war’s dann
auch. Dabei hätte es insbesondere die CDU gerne belassen. "Es gibt
keine Fraktion, die das Ding noch haben will", jubilierte der
stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Biesenbach, der den
ersten U-Ausschuss mit wenig Begeisterung geleitet hatte. Doch Biesenbach hatte die Rechnung ohne die
Piratenpartei gemacht. Die Parlamentsnewcomer setzten den
BLB-Skandal wieder auf die Tagesordnung - und brachten die anderen
Fraktionen damit erfolgreich unter Zugzwang. „Wir sind es den
Bürgern schuldig, sämtliche Vorgänge lückenlos aufzuklären“, sagte
Dietmar Schulz, rechtspolitischer Sprecher der Piratenfraktion.
„Schließlich geht es um Milliarden Steuergelder beim Sondervermögen
BLB und wir müssen unserem Kontrollauftrag gerecht werden.“ Zum jetzt beschlossenen Untersuchungsauftrag
gehört auch, inwieweit die Struktur des BLB “die festgestellten
Missstände ermöglichen bzw. begünstigen konnte“. Ein heikler Punkt
für die SPD. Denn der BLB wurde im Jahr 2000 unter der Ägide des
damaligen SPD-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und seines
Finanzministers Peer Steinbrück ins Leben gerufen. Die beiden Sozialdemokraten glaubten, die Auskoppelung des gesamten Liegenschaftsvermögens vom übrigen Landesvermögen in einen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführten Landesbetrieb würde jährliche Gewinne von bis zu 40 Millionen Euro in die klamme Landeskasse spülen. Ein fataler Irrtum: Tatsächlich erwirtschaftete der BLB bislang kräftig Miese, alleine im Jahr 2010 rund 145 Millionen Euro. |
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