NACHRUF
Heinrich Pachl war mehr als ein Kabarettist. Wortreich mischte er
auf der politischen Bühne mit.
Der
Termin war fest gebucht und bereits öffentlich angekündigt.
Selbstverständlich wollte Heinrich Pachl auch dieses Jahr wieder auf
der DGB-Kundgebung am 1. Mai seinen satirischen Kontrapunkt zu den
in der Regel nicht besonders unterhaltsamen Gewerkschaftsreden
setzen. Das gehörte einfach dazu. Und ich freute mich darauf, nach
seinem Auftritt ein Kölsch mit ihm zu trinken. Doch daraus wird
leider nichts mehr.
Seit Mitte der achtziger Jahre kenne ich Heinrich
Pachl. Ich traf ihn das erste Mal auf irgendeiner politischen
Versammlung, auf der er sich lautstark zu Wort meldete. Als sich die
taz im Jahr 2000 entschloss, eine eigene Ausgabe für Köln
herauszugeben, war es für uns keine Frage, dass wir ihn als
Kolumnisten gewinnen wollten. Es war ein kurzer Anruf, und ich hatte
seine Zusage. Auch nach dem von ihm bitter beklagten Ende der Kölner
Seiten ein paar Jahre später blieb er der taz mit großer Sympathie
verbunden.
Gegen „kölschen Klüngel“
Obwohl nicht groß gewachsen, war der 1943 im
baden-württembergischen Nordach geborene „Agent für
vertrauenstörende Maßnahmen“ weder zu übersehen noch zu überhören.
Wenn sich irgendetwas in der Domstadt bewegte, war Heinrich Pachl
stets nicht weit. In Köln kam man einfach nicht an ihm vorbei. Immer
wenn es gegen die Mächtigen in Politik und Gesellschaft, wenn es
gegen den „kölschen Klüngel“ ging, mischte er sich wortreich ein.
Was in seiner Wahlheimatstadt schieflief, das
wusste er immer als einer der Ersten. Der Begriff „Kabarettist“
umschreibt sein Berufsbild denn auch nur höchst unzureichend. Dafür
war Heinrich Pachl viel zu engagiert – als Regisseur, Schauspieler,
Filmemacher, Theaterautor oder Journalist und nicht zuletzt als
politischer Aktivist.
Am Anfang von Heinrich Pachls kabarettistischer
Laufbahn steht Polit- und Straßentheater. Bekannt wird in den
siebziger Jahren mit der Theatertruppe „Der wahre Anton“. Ab 1979
tritt er zusammen mit Richard Rogler im Duo auf. Für ihr Programm
„Absahnierung“ erhalten sie 1982 den Deutschen Kleinkunstpreis.
Später tourt Pachl mit Matthias Beltz und dann mit Arnulf Rating
über Deutschlands Kleinkunstbühnen. Es folgen die legendären
„Reichspolterabend“-Auftritte von Heinrich Pachl, Beltz, Rating,
Achim Konejung und Horst Schroth: fünf unverbesserlichen wie
scharfzüngigen Weltverbesserern, die sich anlässlich der Bundestagswahl
zusammenfanden, um bissig die Chronik des laufenden Schwachsinns fortzuschreiben.
Daneben war Heinrich Pachl auch als Filmemacher
aktiv. Für seinen Film „homo blech“ erhielt er 1986 den
Adolf-Grimme-Preis. Auch als Schauspieler stand er vor der Kamera,
etwa 2007 in dem Zweiteiler „Teufelsbraten“. Er schrieb Bücher,
Features und erfolgreiche Theaterstücke wie „Köln ist Kasse“, eine
Realsatire auf den kölschen Klüngel. Nebenbei gehörte er zu den
Gründern des Dachverbands der Kritischen Aktionäre und trat auf
Hauptversammlungen als scharfer Kritiker von Großkonzernen auf.
„Das überleben wir“
Mit „Nicht zu fassen“ startete Pachl 1994 seine
Karriere als Solokabarettist. Es war beeindruckend, wie er von dem
einen auf den anderen Moment brillante Ideen aus dem Ärmel
schüttelte. Er liebte es, ohne Punkt und Komma zu sprechen, so dass
das Publikum kaum mitkommen konnte. Und doch verlor Pachl dabei
nicht den roten Faden aus dem Auge. Was er sagte, hatte Hand und
Fuß, war ebenso komisch wie intelligent – und schien bis ins letzte
Detail durchdacht.
Dabei war manches spontaner, als sein Publikum
merken konnte: Als ich für die taz über einen Korruptionsprozess
berichtete, bat er mich morgens, ihm abends eine Zusammenfassung des
Prozesstages in seine Garderobe in der Comedia Colonia zu bringen.
Aus meinen Aufzeichnungen machte er dann in der Vorstellung eine
kleine Nummer – so als wäre sie schon immer im Programm gewesen.
Sein letztes Soloprogramm, das im April 2011
Premiere feierte, hatte den Titel „Das überleben wir!“. Es war
leider nur ein Wunsch. Seinen letzten Kampf hat Heinrich Pachl
verloren: Das Krebsleiden, an dem er vor rund zehn Jahren erkrankt
war, brach wieder aus. Schnell und unbarmherzig. Im Alter von 68
Jahren ist Heinrich Pachl in der Nacht zum Sonntag gestorben. Köln
ist um eine kritische und warmherzige Stimme ärmer.
Er wird uns fehlen. |