Ein romantischer Brauch
aus Italien erobert NRW.
Ein kurioser neuer
Brauch ist dabei, sich im Rheinland zu
etablieren. Ob Steffi und Holger, Silke und
Thomas oder Sibel und Yüksel - die drei Pärchen
haben eines gemeinsam: Sie haben ein
Vorhängeschloss auf der Kölner
Hohenzollernbrücke angebracht. Anschließend
warfen sie den Schlüssel zum Schloss in den
Rhein. Als Zeichen ihrer Liebe. Ewig wird sie
halten, hoffen sie.
Und zahlreiche
andere jugendliche Verliebte haben es ihnen
gleichgetan. Über 300 solcher "Liebesschlösser"
zieren mittlerweile das Sicherheitsgitter, das
den Fußweg von den Eisenbahngleisen trennt. Sie
sind mit Vornamen oder Initialen versehen,
häufig auch mit einem Datum. Auf dem einen oder
anderen Riegel findet sich sogar ein Spruch.
"Drei mal um die Sonne & fünf mal um den Mond",
hat sich ein Liebespaar zum Beispiel in sein
Schloss eingravieren lassen.
Inzwischen
beschäftigt sich auch das in Bonn ansässige
Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) mit dem
Phänomen. "Die ersten Hinweise auf die
Liebesschlösser auf der Hohenzollernbrücke haben
uns im Spätsommer 2008 erreicht", sagt Dagmar
Hänel, 39, Leiterin der Abteilung Volkskunde.
"Damals hingen da gerade mal eine Handvoll
Schlösser." Seitdem finden sich von Tag zu Tag
mehr Schlösser auf der
klassizistisch-monumentalen Eisenbahnbrücke, die
den rechtsrheinischen Stadtteil Deutz mit dem
Kölner Hauptbahnhof auf dem linken Rheinufer
verbindet.
Woher das
romantische Ritual ursprünglich stammt, weiß
bislang niemand. Hänel und ihr Team haben
deswegen eine Erhebung gestartet, um dem
Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Sie gehen davon
aus, dass es sich um eine jüngere Erscheinung
handelt: "Die Liebesschlösser etablieren sich
erst im späten 20. Jahrhundert", sagt Hänel. In
der Bundesrepublik sind sie bisher außer in Köln
nur noch auf einer Brücke über die Alte Jeetzel
im niedersächsischen Hitzacker zu finden. Sie
tauchten an verschiedenen "Orten des Übergangs"
auf, überwiegend an Brücken, würden regional
leicht variiert und schnell populär, sagt die
Forscherin.
Vieles spricht
dafür, dass der Kult aus Italien nach Köln
exportiert wurde. "Lucchetti d'amore" werden die
Liebesschlösser dort genannt. In diversen
Städten Italiens lassen sie sich finden. Der
vermutete Ausgangspunkt ist Florenz, aber auch
in Rom wurden Brücken damit geschmückt.
In Köln ist die
Freude über die Liebesschlösser nicht ungeteilt.
Die Deutsche Bahn, Eigentümerin der Anfang des
vorigen Jahrhunderts erbauten
Hohenzollernbrücke, zeigte sich zunächst
gänzlich unromantisch. "Das ist wie mit
Graffitis oder Scratching", polterte sie noch im
Januar und kündigte die Entfernung per
Seitenschneider an.
Der Protest über
diese Herzlosigkeit war groß. Inzwischen hat
sich der mit einem Imageproblem zu kämpfende
Konzern eines Besseren besonnen. Die Schlösser
sollen vorerst geduldet werden. "Sie bleiben
hängen, solange die Verkehrssicherheit nicht
gefährdet ist", verkündete ein Bahnsprecher.
Volkskundlerin
Hänel freut sich darüber. Die Liebesschlösser
seien ein "schönes Symbol", sagt sie. Sie
dokumentierten ein Paradox: Das Bedürfnis junger
Menschen nach der Dauerhaftigkeit einer
naturgemäß fragilen, zeitlich begrenzten
Beziehung. Denn: "Die erste Liebe ist nur selten
die letzte Liebe."
Auf jeden Fall
dient der neue Brauch der Wirtschaftsförderung:
Bei der Wahl ihrer Schlösser greifen die
Liebenden bevorzugt auf das Angebot eines
Familienunternehmens aus dem süd-östlichen
Ruhrgebiet zurück.
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