Alternative
Brauchtumspflege beim Kölner Rosenmontagszug.
Da simmer dabei, dat is
prima! Der Kölner Rosenmontagszug, ansonsten nicht gerade für
Innovation und Progressivität bekannt, bot in diesem Jahr eine
bemerkenswerte Premiere. Ausgestattet mit meterhohen Puppen, fair
gehandelten Süßigkeiten und umgedichteten Karnevalsliedern
bereicherten ihn Globalisierungskritiker und Antimilitaristen. Gemäß
dem offiziellen Motto »M’r all sin Kölle« betrieben rund 100
Aktivisten von ATTAC und dem BUND sowie Mitglieder der Initiative »Bundeswehr
wegtreten!« alternative Brauchtumspflege: Sie zogen im traditionellen
»Zoch vor dem Zoch« mit, der rund zwei Stunden vor dem »richtigen«
Zug auf die Strecke ging.
Neugierig bestaunt von mehreren hunderttausend am Weg stehenden Jecken
und misstrauisch beobachtet von der Polizei, demonstrierten die
Globalisierungskritiker unter dem Slogan »G8: Wir verheizen die Welt«
gegen den für Anfang Juni in Heiligendamm geplanten G-8-Gipfel der größten
Industrienationen. Verkleidet hatte sich der eine Teil der
Karnevalsdemonstranten als Jungmanager und Politikerkarikaturen. Sie
trieben den anderen Teil, den globalen Pöbel vor sich her:
Soldatengerippe, angekettete Bauern, zerlumpte Obdachlose, verdorrte Bäume,
ärmlich gekleidete Frauen mit Kindern auf dem Arm und Guantánamo-Häftlinge.
Mit imitierten Bahntickets warben die selbsternannten »G-8-Pappnasen«
zudem für einen Demo-Sonderzug nach Heiligendamm: »Lieber Jeck sein,
als sich von Jecken verdummen lassen!«
Während der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers
(CDU) noch auf seinen Auftritt auf dem Wagen der konservativen
Traditionskarnevalsgesellschaft »Große Kölner« warten mußte,
nutzten die Antimilitaristen den Vorumzug, um auf jecke Art gegen den
erzreaktionären Kölner Kardinal Joachim Meisner und seinen jährlichen
Soldatengottesdienst zu protestieren: Sie wünschten ihm ein kräftiges
»Hölle alaaf«, forderten »Schwerter zu Pflugscharen« und
bedachten den »Gotteskrieger vom Rhin« mit Schmähliedern: »Mer
losse d’r Dom en Kölle, den Meisner schmies mer fott.«