Der
neue Staatsvertrag beschert den jüdischen Gemeinden mehr Geld vom
Land. Allerdings nicht allen: Die Kölner Synagogen-Gemeinde
verweigert der Liberalen Gemeinde bislang ihren Anteil.
Nordrhein-Westfalen erhöht
seine finanziellen Leistungen für die jüdischen Gemeinden.
Gestern unterzeichnete Ministerpräsident Jürgen Rüttgers
(CDU) in der Düsseldorfer Staatskanzlei den neuen Staatsvertrag
mit den beiden jüdischen Landesverbänden Westfalen-Lippe und
Nordrhein sowie der Synagogen-Gemeinde Köln. Der Vertrag
beinhaltet eine Aufstockung der jährlichen
Unterstützungsmittel von bisher 5,113 Millionen Euro auf 7
Millionen Euro.
Mit dem Staatsvertrag verpflichtet sich das Land zur Unterstützung
der 19 jüdischen Kultusgemeinden mit ihren inzwischen rund 31.000
Mitgliedern. Er wurde erstmalig im Dezember 1992 vom damaligen
Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) abgeschlossen. Die jetzt
vereinbarte Erhöhung der Zuwendungen hatte Rüttgers auf dem
Festakt zum 60-jährigen Landesjubiläum in der vergangenen
Woche angekündigt. "Die jüdischen Gemeinden müssen die
vielen Zuwanderer aus Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion
integrieren", begründete er dort das verstärkte finanzielle
Engagement. Die Landesregierung entspreche damit einer Bitte des im
April dieses Jahres verstorbenen Düsseldorfer Präsidenten des
Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel.
Allerdings tobt hinter den Kulissen ein Streit um die Verteilung der
Mittel. Verantwortlich dafür: die Kölner Synagogen-Gemeinde,
mit ihren 4.931 Mitgliedern eine der größten jüdischen
Gemeinden in der Bundesrepublik. Denn obwohl orthodox ausgerichtet,
versteht sie sich als Einheitsgemeinde und lehnt es deswegen ab, von
ihrem Anteil an den Landeszuschüssen auch etwas an die kleine
Jüdische Liberale Gemeinde Köln Gescher LaMassoret abzugeben.
Nachdem Fusionsverhandlungen an der harten Haltung der
Synagogen-Gemeinde gescheitert sind, hat Gescher LaMassoret bereits im
März Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Die Liberalen
gehen davon aus, dass sie einen Rechtsanspruch auf eine
Unterstützung aus den Landesmitteln haben. "Es ist schade, dass
uns nur der Klageweg bleibt, aber uns ist keine andere Wahl geblieben",
sagte Gescher LaMassoret-Vorsitzende Michael Lawton. Eine gütliche
Einigung ist nicht in Sicht.
Das verwundert. Eigentlich müsste die Kölner
Synagogen-Gemeinde ein großes Interesse an einer
außergerichtlichen Verständigung haben. Denn die Aussichten
für die Jüdische Liberale Gemeinde vor Gericht stehen recht
gut. Immerhin gibt es bereits einen entschiedenen Präzedenzfall:
Nach einem sieben Jahre lang dauernden Rechtsstreit urteilte das
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt im November 2004, dass
die liberale Synagogengemeinde zu Halle an der Saale Anspruch auf die
ihr verweigerte anteilige Auszahlung von Mitteln hat, die dem hiesigen
Landesverband Jüdischer Gemeinden auf Grundlage des
sachsen-anhaltinischen Staatsvertrages zur Verfügung gestellt
werden. Es sei "nicht maßgeblich" für die Beteiligung an den
Landeszuschüssen, ob der dem Zentralrat angeschlossene
Landesverband die liberalen Hallenser anerkenne, befanden die
Magdeburger Richter. Zur jüdischen Gemeinschaft gehöre
vielmehr jede sich selbst als Jüdische Gemeinde verstehende
Vereinigung, "die Aufnahme und Anerkennung als Jüdische Gemeinde
gefunden" habe. Das sei hier der Fall, da die Synagogengemeinde zu
Halle Mitglied in der Dachorganisation "Union progressiver Juden in
Deutschland" ist. Das Urteil ist rechtskräftig.
In Nordrhein-Westfalen gehören drei Gemeinden der "Union
progressiver Juden in Deutschland" an: die Liberale Gemeinde in
Köln, die erst im vergangenen Jahr gegründete Liberale
Jüdische Gemeinschaft Ruhrgebiet Perusch in Oberhausen und die
Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld. Dabei zeigt das Bielefelder
Beispiel, dass trotz aller innerjüdischen Uneinigkeit über
die richtige Auslegung religiöser Regeln und Riten eine
Kooperation der verschiedenen Richtungen durchaus möglich ist:
Anders als die Kölner Synagogen-Gemeinde setzt der Landesverband
der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe nicht auf Ausgrenzung
und akzeptiert die Ostwestfalen als Mitgliedsgemeinde.
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