17.07.2004

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taz

*   Kölns Polizeiskandal im Landtag
Von Pascal Beucker

Die Auflösung des Sondereinsatzkommandos der Kölner Polizei schlägt Wellen: FDP fordert Aufklärung im Innenausschuss. Kritische Polizisten sehen "verschwimmendes Unrechtsbewusstsein".

Der Polizeiskandal um eine Einheit des Kölner Spezialeinsatzkommandos (SEK) schlägt nun auch Wellen in den nordrhein-westfälischen Landtag. "Spätestens bei der ersten Sitzung des Innenausschusses nach der Sommerpause im September werden wir Aufklärung verlangen", sagt der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Horst Engel. Die Liberalen hatten ursprünglich bereits eine Innenausschuss-Sondersitzung für die kommende Woche beantragen wollen. "Leider konnten wir dies nicht umsetzen, da hierzu die erforderliche Mehrheit nach der Geschäftsordnung fehlte und die anderen Fraktionen nicht bereit waren, diese durchzuführen", so Engel.

Am Donnerstag hatte Kölns Polizeipräsident Klaus Steffenhagen mitgeteilt, er habe sieben der elf Mitglieder der SEK-Einheit vom Dienst suspendiert, den Kommandoführer von seiner Aufgabe entbunden und die komplette Einheit aufgelöst. Gegen fünf Beamte wird unter anderem wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, der Körperverletzung im Amt, der Strafvereitelung, des Diebstahls und der Untreue ermittelt. Zwei weitere der Elitepolizisten stehen im Verdacht, Haschischplätzchen bei einer SEK-Feier gegessen zu haben.

Die Spezialeinsatzkommandos (SEK) gibt es seit 1973 in der Bundesrepublik, seit 1974 in NRW. Entstanden sind sie als Reaktion auf die Geiselnahme während der Olympischen Spiele 1972 in München und andere schwere Gewalttaten. Insgesamt rund 660 Männer und Frauen stark, gibt es in NRW sechs SEK, die in jeweils drei Einheiten unterteilt sind. Außer in Köln bestehen SEK noch in Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Essen und Münster. Im vergangenen Jahr absolvierten sie 984 Einsätze.

Warum es bisweilen SEKlern an Gesetzestreue mangelt, erklären Kriminologen mit der besonderen Situation in der Gruppe. Die 25- bis 40-jährigen Beamten müssten Details ihrer Arbeit in der Regel geheim halten, die Kollegen ersetzten nicht selten den Freundeskreis und die nervenaufreibenden Einsätze belasteten oft das Privatleben. "Sie leben ein Stück von der Gesellschaft entrückt", meint Martin Herrnkind. "Sie spüren die Aura des Besonderen, und der daraus resultierende Korpsgeist kann verhängnisvoll sein", warnt der frühere Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen.

Es bestehe die Gefahr einer "gefährlichen Eigendynamik" und "manchmal verschwimmen die Grenzen des Unrechtsbewusstseins", so Herrnkind, der zur Zeit an einer Doktorarbeit über Polizeiübergriffe schreibt. Deshalb müsse "höllisch aufgepasst" werden, dass der für den Einsatz notwendige ausgeprägte Zusammenhalt bei kriminellen Vorfällen "nicht ins Gegenteil umschlägt" und die Gruppe dann auch den schütze, der die Grenzen des Gesetzes überschreitet. Die Vorgesetzten müssten erkennen und handeln, "wenn Beamte das Gespür für Menschen- und Bürgerrechte verlieren".


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