Norbert
Burger arbeitete für Willy Brandt, amtierte länger als alle anderen Kölner
Oberbürgermeister - und würde das Jahr 2002 lieber vergessen.
Norbert
Burger sitzt im dunkelblauen Strickpulli und mit anthrazitfarbener Hose
auf seinem Designersofa. Sortiert die Post und denkt wehmütig an die
Zeit, als ihm noch eine Sekretärin zur Seite stand. Aber da war er ja
auch noch der beliebteste Politiker Kölns. Heute ist er Politpensionär.
Doch immer noch müssen Termine und Anfragen verwaltet werden. Nun von
ihm. Keine leichte Umstellung.
Am
Sonntag wird der Kölner Ehrenbürger 70 Jahre alt. Den runden
Geburtstag hätte er lieber 2003 gefeiert. "Am besten wäre es, man
könnte dieses Jahr einfach streichen", sagt der Ex-Oberbürgermeister.
"2002 war schrecklich - und das Jahr ist noch nicht einmal
um." SPD-Spendenskandal, Steuerfahndung inklusive Hausdurchsuchung,
Beivers-Colonius-Affäre - dicker hätte es kaum kommen können.
Dabei
ist Burger das, was man ein sozialdemokratisches Urgestein nennen könnte,
trüge diesen Titel in Köln nicht schon der zehn Jahre ältere Hans-Jürgen
Wischnewski. Während zu "Ben Wischs" Party im Juli die
SPD-Prominenz vom damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement bis zu
Bundespräsident Johannes Rau gratulierte, wird sie bei Burgers Feier
auf einer Burg im Erftkreis fehlen. "Ich hab sie auch nicht
eingeladen", grinst Burger etwas bitter im Gespräch mit der taz.
Der Frust über die Parteioberen sitzt tief.
Am
meisten kränke ihn, dass ihm führende SPD-Landesfunktionäre nicht
glaubten, er habe nichts mit den illegalen Machenschaften von Rüther,
Biciste & Co zu tun. Und das, obwohl er "45 Jahre der Partei
unter Einsatz aller meiner Kräfte gedient" habe. "Das hat mir
so sehr weh getan, dass ich monatelang nicht schlafen konnte."
Sogar ein Parteiordnungsverfahren strengten sie gegen ihn an. Dabei war
Burger zunächst sogar Wunschkandidat für ihre Untersuchungskommission.
Aber da wusste noch keiner, dass auch er eine der vergifteten
Spendenquittungen erhalten hatte. "An dem Abend, an dem ich von dem
Verfahren gegen mich erfuhr, habe ich wütend an meiner Austrittserklärung
geschrieben", erzählt er heute. Aber dann forderte ihn seine
Lebensgefährtin auf: "Kämpfe, Norbert!" Inzwischen ist die
Sache ausgestanden, das Verfahren ohne Sanktionen abgeschlossen.
Wie hätte
er aber auch einfach austreten sollen? So einfach geht das nicht, wenn
man über die Hälfte seines Lebens in der SPD war. Ursprünglich war
sie allerdings nur seine zweite Wahl. Zunächst liebäugelte er mit der
antimilitaristischen Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) Gustav
Heinemanns. Erst nach deren Auflösung 1957 und dem Übertritt führender
GVP-ler wie Heinemann und Johannes Rau, schloss er sich den Roten an.
Ab 1963
Beamter in Köln, zuletzt Beigeordneter für Jugend und Soziales,
wechselte Burger 1973 nach Bonn, wurde Vize-Chef des Bundespresseamtes.
"Jeden Freitagmittag gingen wir damals mit Willy Brandt
essen", erzählt er mit strahlenden Augen. Unter Helmut Schmidt
fand sich Burger plötzlich im Entwicklungshilfeministerium wieder.
"Die Arbeit war interessant, aber dafür bin ich nicht nach Bonn
gewechselt", so Burger. Akribisch bereitet er seinen Absprung vor.
1975
wurde er in den Kölner Stadtrat gewählt. Beim SPD-Parteitag 1980 trat
er als scheinbar aussichtsloser Kandidat für die Nachfolge von OB John
van Nes Ziegler an. Im ersten Wahlgang abgeschmiert, wollte er schon
aufgeben. Da packte ihn ausgerechnet der später als Stasi-Spion
enttarnte Wilhelm Vollmann am Arm: Der linke Kandidat zieht zurück. Von
"links" unterstützt, gewann Burger gegen den
"Rechten" Heinz Lüttgen - mit 6 Stimmen Vorsprung. Als OB war
er dann die Rekordzeit von 19 Jahren im Amt.
Dafür
sorgte Burgers Omnipräsenz: Schützen, Kleingärtner, Karnevalisten, er
besuchte alle - in 115 Vereinen ist er Ehrenmitglied. Dazu Chef-Maggler
in Sachen Städtepartnerschaft, Strippenzieher im Städtetag, Wadenbeißer
auf EU-Ebene. "Ich litt immer unter Schlaflosigkeit, hatte stets
bis zu 100 Stunden Arbeit pro Woche." Das drohende Einnicken habe
er "nur mit permanenter Action" überwinden können. Und er
entwickelte eine Technik, sich konzentriert zuhörend zu geben - und
dabei vortrefflich zu dösen. Einmal aber erwischte der WDR den
schlafenden Burger im Landtag.
1999 hörte er als OB auf,
wollte den Stab an Klaus Heugel weitergeben. Mit dessen Sturz begann der
Abstieg der SPD in Köln - und auch für Burger wurde der Wind rauer.
Trotzdem beurteilt er heute die Dinge gelassen, betont er. Er kenne die
kölsche Seele, sagt Burger. Immerhin stammt von ihm eine der legendärsten
Definitionen des "kölschen Klüngels": Das sei nichts anderes
als "das Ausräumen von Schwierigkeiten im Vorfeld von
Entscheidungen". |