21.11.2002

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  Ehrenburger wird 70
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Norbert Burger arbeitete für Willy Brandt, amtierte länger als alle anderen Kölner Oberbürgermeister - und würde das Jahr 2002 lieber vergessen.

Norbert BurgerNorbert Burger sitzt im dunkelblauen Strickpulli und mit anthrazitfarbener Hose auf seinem Designersofa. Sortiert die Post und denkt wehmütig an die Zeit, als ihm noch eine Sekretärin zur Seite stand. Aber da war er ja auch noch der beliebteste Politiker Kölns. Heute ist er Politpensionär. Doch immer noch müssen Termine und Anfragen verwaltet werden. Nun von ihm. Keine leichte Umstellung.

Am Sonntag wird der Kölner Ehrenbürger 70 Jahre alt. Den runden Geburtstag hätte er lieber 2003 gefeiert. "Am besten wäre es, man könnte dieses Jahr einfach streichen", sagt der Ex-Oberbürgermeister. "2002 war schrecklich - und das Jahr ist noch nicht einmal um." SPD-Spendenskandal, Steuerfahndung inklusive Hausdurchsuchung, Beivers-Colonius-Affäre - dicker hätte es kaum kommen können.

Dabei ist Burger das, was man ein sozialdemokratisches Urgestein nennen könnte, trüge diesen Titel in Köln nicht schon der zehn Jahre ältere Hans-Jürgen Wischnewski. Während zu "Ben Wischs" Party im Juli die SPD-Prominenz vom damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement bis zu Bundespräsident Johannes Rau gratulierte, wird sie bei Burgers Feier auf einer Burg im Erftkreis fehlen. "Ich hab sie auch nicht eingeladen", grinst Burger etwas bitter im Gespräch mit der taz. Der Frust über die Parteioberen sitzt tief.

Am meisten kränke ihn, dass ihm führende SPD-Landesfunktionäre nicht glaubten, er habe nichts mit den illegalen Machenschaften von Rüther, Biciste & Co zu tun. Und das, obwohl er "45 Jahre der Partei unter Einsatz aller meiner Kräfte gedient" habe. "Das hat mir so sehr weh getan, dass ich monatelang nicht schlafen konnte." Sogar ein Parteiordnungsverfahren strengten sie gegen ihn an. Dabei war Burger zunächst sogar Wunschkandidat für ihre Untersuchungskommission. Aber da wusste noch keiner, dass auch er eine der vergifteten Spendenquittungen erhalten hatte. "An dem Abend, an dem ich von dem Verfahren gegen mich erfuhr, habe ich wütend an meiner Austrittserklärung geschrieben", erzählt er heute. Aber dann forderte ihn seine Lebensgefährtin auf: "Kämpfe, Norbert!" Inzwischen ist die Sache ausgestanden, das Verfahren ohne Sanktionen abgeschlossen.

Wie hätte er aber auch einfach austreten sollen? So einfach geht das nicht, wenn man über die Hälfte seines Lebens in der SPD war. Ursprünglich war sie allerdings nur seine zweite Wahl. Zunächst liebäugelte er mit der antimilitaristischen Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) Gustav Heinemanns. Erst nach deren Auflösung 1957 und dem Übertritt führender GVP-ler wie Heinemann und Johannes Rau, schloss er sich den Roten an.

Ab 1963 Beamter in Köln, zuletzt Beigeordneter für Jugend und Soziales, wechselte Burger 1973 nach Bonn, wurde Vize-Chef des Bundespresseamtes. "Jeden Freitagmittag gingen wir damals mit Willy Brandt essen", erzählt er mit strahlenden Augen. Unter Helmut Schmidt fand sich Burger plötzlich im Entwicklungshilfeministerium wieder. "Die Arbeit war interessant, aber dafür bin ich nicht nach Bonn gewechselt", so Burger. Akribisch bereitet er seinen Absprung vor.

1975 wurde er in den Kölner Stadtrat gewählt. Beim SPD-Parteitag 1980 trat er als scheinbar aussichtsloser Kandidat für die Nachfolge von OB John van Nes Ziegler an. Im ersten Wahlgang abgeschmiert, wollte er schon aufgeben. Da packte ihn ausgerechnet der später als Stasi-Spion enttarnte Wilhelm Vollmann am Arm: Der linke Kandidat zieht zurück. Von "links" unterstützt, gewann Burger gegen den "Rechten" Heinz Lüttgen - mit 6 Stimmen Vorsprung. Als OB war er dann die Rekordzeit von 19 Jahren im Amt.

Dafür sorgte Burgers Omnipräsenz: Schützen, Kleingärtner, Karnevalisten, er besuchte alle - in 115 Vereinen ist er Ehrenmitglied. Dazu Chef-Maggler in Sachen Städtepartnerschaft, Strippenzieher im Städtetag, Wadenbeißer auf EU-Ebene. "Ich litt immer unter Schlaflosigkeit, hatte stets bis zu 100 Stunden Arbeit pro Woche." Das drohende Einnicken habe er "nur mit permanenter Action" überwinden können. Und er entwickelte eine Technik, sich konzentriert zuhörend zu geben - und dabei vortrefflich zu dösen. Einmal aber erwischte der WDR den schlafenden Burger im Landtag.

1999 hörte er als OB auf, wollte den Stab an Klaus Heugel weitergeben. Mit dessen Sturz begann der Abstieg der SPD in Köln - und auch für Burger wurde der Wind rauer. Trotzdem beurteilt er heute die Dinge gelassen, betont er. Er kenne die kölsche Seele, sagt Burger. Immerhin stammt von ihm eine der legendärsten Definitionen des "kölschen Klüngels": Das sei nichts anderes als "das Ausräumen von Schwierigkeiten im Vorfeld von Entscheidungen".

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