29.08.2002 |
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Kölner Bachem-Verlag verscheucht Klüngel-Kritiker |
Von Pascal Beucker |
In dem Köln-Buch "Ganz unter uns" sollte auch ein Beitrag von Erwin K. und Ute Scheuch stehen. Doch dann bekam die Verlagsleitung kalte Füße. Die Verlagsankündigung ließ aufhorchen: Neben den unvermeidlichen "Verzällcher un Krätzcher", dem üblichen "Hätz und Jemöt" und sonstigem Kokolores, den ein Köln-Buch enthalten muss, um auf dem Kölner Markt Erfolg zu haben, versprach der traditionsreiche J.P. Bachem-Verlag etwas ganz besonderes: In seinem im September erscheinenden Buch "Ganz unter uns" solle auch "der reale kölsche Klüngel, d.h. wenn 'Pfründe' und 'Fründe' etwas miteinander zu tun haben", aufgedeckt werden. Mit der Bewältigung dieser großen Aufgabe hatte Herausgeber Jürgen Bennack zwei einschlägig bekannte Autoren betraut: das Soziologen-Ehepaar Erwin K. und Ute Scheuch. Und die erledigten den Auftrag zu Bennacks voller Zufriedenheit. Er habe ihr Manuskript "mit großem Vergnügen gelesen", teilte ihnen der Kölner Pädagogikprofessor mit. Für ihren süffisant geschriebenen Text unter der Überschrift "Der Kölner als solcher beherrscht das Klüngeln (manchmal) in Perfektion" kramten die Scheuchs tief in ihrem Klüngel-Archiv: Wie war das noch mit dem Geheimpapier von SPD und FDP nach der Kommunalwahl 1979, in dem die beiden Parteien vereinbarten, großzügig 14 hohe Posten bei der Stadtverwaltung und in den städtischen Unternehmen unter sich aufzuteilen? Wie bekämpften sich Ende der 80-er Jahre der Bietmann- und der Blömer-Fügel in der CDU und einigten sich dann auf Kosten der innerparteilichen Demokratie? Wie entstand in den 90-er Jahren die KölnArena und welche Rolle spielte dabei der umtriebige damalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier? Wie verhält es sich mit dem legendären Esch-Fond des Bankhauses Oppenheim, zu dem Ruschmeier 1998 wohldotiert wechselte und zu dessen eifrigsten Einlegern der Verleger Alfred Neven DuMont gehört? Wie stürzte 1999 der SPD-Oberbürgermeisterkandidat Klaus Heugel? Nein, wirkliche Enthüllungen enthält der Text über Vorteilsgaben und -nahmen, über hoffnungsvolle und gescheiterte Kölner Karrieren nicht - aber dafür viele hervorragende Beispiele, wie der Klüngel unter Ausschaltung gesellschaftlicher Kontrolle in Köln praktisch funktioniert. Auf diese Beispiele werden die Leser von "Ganz unter uns" jedoch verzichten müssen. Denn der Bachem-Verlag, der auch die Kirchenzeitung des Erzbistums herausgibt, hat kalte Füße bekommen. Unter Protest des Herausgebers kippte die Verlagsleitung das Klüngelkapitel der Scheuchs, weil darin "eine Vielzahl von Personen und Ereignissen in einer Form mit dem Kölner Klüngel in Verbindung gebracht wurden, die wir als Kölner Verlag so nicht veröffentlichen können". Die Scheuchs reagieren mit einer beinahe schon sarkastischer Gelassenheit auf den Zensurakt. Die Ankündigung Bachems, den kölschen Klüngel aufdecken zu wollen, sei doch etwas vorlaut gewesen, konstatiert Erwin K. Scheuch. "In letzter Sekunde hat der Verlag wohl gemerkt, dass eine solche Offenheit für Köln und einen Kölner Verlag völlig untypisch wäre", sagt der 74-jährige emeritierte Kölner Soziologieprofessor im taz-Interview. Wer übrigens nachlesen möchte, was der Bachem-Verlag nicht drucken will: Die taz köln dokumentiert den inkriminierten Text der Scheuchs im Internet unter http://www.journaille.de/spd-spendenskandal/tk02-08-29dok.htm. |
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