19.11.2002

Startseite
taz

*   Politische Express-Linie 
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Weil dem Kölner Verleger Alfred Neven DuMont die politische Richtung seines Kölner Express nicht gefiel, hat er einen Brief an die Blattmacher geschrieben. Sie sollten sich wieder mit der "grundsätzlichen Haltung unseres Hauses" identifizieren.

Alfred Neven DuMontAlfred Neven DuMont ist ein mächtiger Mann. An den Zeitungen, über die er gebietet, kommt in Köln keiner vorbei - die einzige lokale Alternative ist die Bild-Zeitung (und einmal wöchentlich die taz köln). Und natürlich hält sich der Kölner Ehrenbürger nicht nur für einen guten Geschäftsmann, sondern für einen großen Publizisten. Wenn man den 75-Jährigen fragen dürfte, worin er den signifikanten Unterschied zu Rudolf Augstein sieht, seine Antwort wäre wohl: Ich lebe noch.

So war es auch kein Wunder, dass sich zum Festakt anlässlich des 200-jährigen Jubiläums seines Verlags M. DuMont Schauberg im Sommer das Whos who der deutschen Politik die Ehre gab - angeführt von Bundespräsident und -kanzler. Er habe "sehr persönliche Beziehungen" zum Verlagshaus und speziell zu dessen Boulevardtitel Express, betonte Gerhard Schröder.

Macht und Missbrauch

Besonders lobte der Kanzler die Fairness der DuMont-Blätter, zu denen auch die Kölnische Rundschau und die Mitteldeutsche Zeitung in Halle gehören. Neven DuMont verstehe es, sich "im Spannungsfeld zwischen Pressemacht und -missbrauch zu bewegen", urteilte einmal sein publizistisches Flaggschiff, der Kölner Stadt-Anzeiger.

Was darunter zu verstehen ist, durfte am Tag nach der Bundestagswahl die Chefredaktion des Express erleben. Denn an die schrieb der Domstadt-Citizen-Kane, zu dessen vielen verliehenen Titeln auch der des Ehrenbrandmeisters der Freiwilligen Feuerwehr von Stommeln gehört, einen Brandbrief: "Die 'Jubelnummer' des heutigen Tages über den Ausgang der Wahlen kann ich in keiner Weise nachvollziehen", teilte der Herausgeber mit dem "durchaus aristokratisches Flair" (Stadt-Anzeiger) seinen Untergebenen mit.

Erzürnt hatte den alten Herrn die Express-Titelseite mit der Headline "Gerd im Glück" und einem Bild des strahlenden Kanzlers. Doch nicht nur das: "Auf Seite 3 abermals Herr Schröder in Siegerpose, auf Seite 4 mit einem lustig kniependen Auge."

Ungeheuerlich, denn: "In Wahrheit ist die SPD einer der Stimmenverlierer dieser Wahl." Im Kontrast dazu der Herausforderer: "Stoiber, dessen CDU/CSU erhebliche Gewinne zu verzeichnen hat, wird auf den Seiten 3 und 5 mehr oder weniger zum Witzmännchen degradiert." Und dann auch noch die Auswahl der zum Wahlausgang befragten Leser: "ebenso einseitig rot, aber insbesondere grün dominiert".

Die Ausrichtung der Ausgabe, schrieb Neven DuMont den Blattmachern, "identifiziert sich stark mit Rot/Grün, so dass sie nicht nur einen Teil unserer Leser befremdet, sondern sich auch von der grundsätzlichen Haltung unseres Hauses entfernt". Und die sei "liberal".

Damit über seine Vorstellungen von innerer Pressefreiheit erst gar kein Missverständnis entsteht, wies Neven DuMont auch direkt darauf hin, was er nun von seinen leitenden Angestellten erwartet: "Ich muß Sie nachdrücklich auffordern, sich wieder mit der grundsätzlichen Haltung unseres Hauses zu identifizieren, und dies sofort und ohne Wenn und Aber."

"Her mit dem Geld!"

Im Hause DuMont-Schauberg hält man sich bei offiziellen Anfragen zu dem Brandbrief, der der taz vorliegt, vornehm zurück. "Der Öffentlichkeitsarbeit ist ein solcher Vorgang nicht bekannt", heißt es diplomatisch. Im übrigen wolle man zu internen Überlegungen ohnehin keine Auskunft geben. In den nachfolgenden Express-Ausgaben konnte allerdings nachvollzogen werden, dass der Chefbrief seine Wirkung nicht verfehlt hat. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann kommt der Bundeskanzler halt so auf den Titel, wie es der Liberalität des Hauses entspricht: grimmig dreinblickend mit der Überschrift "Her mit dem Geld, Leute! Gerhard Schröder-Schröpf" oder mit montiertem "blauen Auge" als "Watschn-Kanzler" - also mit voller Kraft gegen Rot-Grün. Die Linie stimmt wieder.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei den Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Autoren.