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Von Pascal
Beucker |
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Ungeheuerliche
Aussagen im Kölner Polizeiskandal - Warten auf Gutachten Der
Skandal bewegt seit Wochen die Menschen in der Domstadt. Sechs Beamte
stehen in Verdacht, den 31-jährigen Stephan N. so schwer misshandelt
zu haben, dass er später im Krankenhaus an den Folgen seiner
Verletzungen verstarb. Erste Konsequenzen wurden inzwischen gezogen. Regine
Appenrodt gibt sich wortkarg. Die Ermittlungen dauern an, sagt die Kölner
Oberstaatsanwältin. Sonst gäbe es zurzeit nichts mitzuteilen. Ihre
Zurückhaltung ist verständlich, der Fall ist heikel: Haben tatsächlich
Polizisten auf einer Wache in der Kölner Innenstadt einen
festgenommenen zu Tode geprügelt? Der
Vorfall: Am 11. Mai wurde Stephan N. festgenommen, weil er in der
Wohnung seiner Mutter randaliert haben soll. Schon beim Abtransport
soll dem gelernten Schreiner und Musiker im Polizeiwagen mehrfach ins
Gesicht geschlagen worden sein – berichteten zwei Zeugen, die sich
in einer nahe gelegenen Disco aufgehalten hatten. Was
dann nach den schriftlichen Aussagen zweier unbeteiligter Polizisten
auf der Wache Eigelstein geschehen sein soll, klingt ungeheuerlich:
Sie wollen gesehen haben, wie fünf bis sechs Beamte in der
Sicherheitsschleuse auf den am Boden liegenden Stephan N. eintraten
und schlugen, und ihn dabei an Kopf, Rumpf, Armen und Beinen trafen.
Der Zweizentnermann sei dann unter Beschimpfungen und Schlägen durch
den Flur in die Zelle geschleift worden. Auch dort sei der an Händen
und Füßen Gefesselte noch von vier Beamten geschlagen und getreten
worden. Die Tortur habe erst mit dem Eintreffen der Sanitäter
geendet. Die brachten Stephan N. ins Krankenhaus. Abdruck
einer Schuhsohle Dort
kollabierte der Thrombose-Kranke bei einer unter Zwang durchgeführten
Blutprobe. Stephan N. fiel ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte.
Die Ärzte stellten bei ihm einen Bluterguss im Gesicht fest, „ein
deutlich geformtes, frisches Hämatom, nach Art eines
Schuhsohlenabdruckes“. Am 24. Mai starb Stephan N.. Laut
Obduktionsbericht war ein Hirnödem die Todesursache. Aufschluss darüber,
ob die Misshandlungen durch die Polizisten ursächlich für den Tod
Stephan N.s waren, erhofft sich die Staatsanwaltschaft von einem
rechtsmedizinischen Gutachten. "Wir
haben Dich gerächt" „Wir
erwarten das Gutachten in den nächsten Tagen“, sagte Oberstaatsanwältin
Appenrodt zu den „Nachrichten“. Davon hänge ab, ob gegen die
sechs beschuldigten Polizisten nur wegen Körperverletzung im Amt
ermittelt oder ob die Ermittlungen auf den Straftatbestand der Körperverletzung
mit Todesfolge ausgedehnt werden. Ein Motiv für die mutmaßliche
Gewaltorgie auf der Polizeiwache war möglicherweise falsch
verstandener Korpsgeist. Das jedenfalls legt die Aussage eines
Kollegen nahe, der bei Festnahme dabei war, sich dort jedoch durch
Glassplitter leicht verletzt hatte und deswegen nicht mehr mit zur
Wache fuhr. Er berichtete, nach dem Ende des Einsatzes sei einer der
Beschuldigten auf ihn zugekommen und habe gesagt: „Wir haben Dich
gerächt.“ Zu
den Vorwürfen haben sich bisher erst zwei der umgehend vom Dienst
suspendierten Beamten über ihre Anwälte geäußert: Während der
eine aussagte, er sei an keiner Misshandlung beteiligt gewesen und
habe auch nichts gesehen, gab der andere zu, dem Opfer mit der Hand
auf das Jochbein geschlagen zu haben - allerdings aus Notwehr. Am 20.
Juni wird sich auch der Innenausschuss des Landtages mit dem
Polizeiskandal beschäftigen.
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