12.07.2001 |
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In die Tonne gekloppt |
Von Pascal Beucker, Sebastian Sedlmayr und
Frank Überall |
Hinter den Kulissen wurde bereits seit einiger Zeit über die Einstellung der Gratiszeitung 20 Minuten spekuliert. Doch dann kam das Ende für alle schneller als erwartet. Verlierer sind die Mitarbeiter. Das Pulver ist verschossen, die Schlacht verloren: 20 Minuten, das Flaggschiff des norwegischen Schibsted Verlages, das die etablierten Zeitungsmacher in Köln M. DuMont Schauberg und Axel Springer in wilde Abwehrmanöver gedrängt hatte, ist gesunken. Es war in Oslo von Anker gegangen, um eine Bresche in den starren deutschen Markt zu schlagen, doch mit seinem Gratis-Konzept kenterte es bereits vor den Pforten des Kölner Domes. Das Ende kam schnell, sehr schnell. Am Dienstagmittag traf sich der Generalstab im Crowne Plaza Hotel am Rudolfplatz. Aus Zürich herbei gereist war Ekkehard Kuppel, Vorstandsvorsitzender der "20 Min Europa Holding". Bei Mineralwasser erklärte er den Kölner Admirälen, dass 20 Minuten auf ein Riff gelaufen sei: Das Fortführen der Ausgabe sei "wirtschaftlich nicht darstellbar", berichtete Kuppel und meinte damit vor allem seine Geldgeber. Die wollen ihr Kapital lieber im Ausland investieren, wo es weniger starrsinnige Konkurrenz-Verleger gibt, kurzum: wo schneller Geld zu verdienen ist. Um 17.00 Uhr informierten Kuppel und der Kölner 20 Minuten-Geschäftsführer Norbert Spindler die Belegschaft vom unmittelbar bevorstehenden Ableben ihres Blattes. Gestern wurde ihr der Sozialplan vorgestellt. Bereits am 28. Juni hatten im Rahmen der Vertriebsrunde beim Pressegrossisten Esser Gerüchte die Runde gemacht, 20 Minuten hätte nur noch wenige Tage vor sich. Unter den Mitarbeitern allerdings konnte sich da noch niemand vorstellen, dass es so rasant gehen würde. Die jährlichen Verluste in zweistelliger Millionenhöhe waren zwar allen bekannt. Doch wurden noch in den vergangenen Wochen neue Räume angemietet, Anzeigen- und Marketingabteilung verstärkt und nicht zuletzt das Layout der Zeitung von Grund auf erneuert. Dass sich das Gratisblatt so schnell in Rauch auflöste, hat jedoch gute Gründe: Ohne dass es die Öffentlichkeit bemerkt hätte, hat sich hinter den komplizierten Holding-Kulissen ein dramatischer Wandel vollzogen. Das norwegische Medienhaus Schibsted hält nur noch 42 Prozent der Aktien, weitere 28 Prozent halten jeweils die A+A Aktienbank und die Vermögens-Beteiligungsgesellschaft Apax, zwei Prozent gehören dem Management. Es wird gemunkelt, dass der Druck der eher medien-unerfahrenen Finanzmakler schließlich die hehren Zeitungsziele der Norweger brach. Schon die völlig überstürzte Stornierung der bereits fest geplanten bundesweiten Expansion im April dieses Jahres soll auf ihr Konto gehen. "Zeitung machen ist eben doch etwas anderes als eine Großschlachterei zu betreiben", kommentiert dies sarkastisch Ex-20 Minuten-Chefredakteur Klaus Kelle gegenüber der taz. Einer, der frühzeitig seine Konsequenzen aus dieser Entwicklung gezogen hat, ist der Chef der deutschen Schibsted AG mit Sitz in Berlin. Volker Flasse, der bei den Gerichtsprozessen in Köln und in der Bundeshauptstadt immer für Schibsted und 20 Minuten aufgetreten war, hat sich bereits im Juni auf leisen Sohlen davon gemacht. "Dieser Schritt ist die Folge der Übernahme der Geschäftsführung der 20 Minuten-Zeitung durch die Züricher Holding und eine Investorengruppe, die seit Herbst des vergangenen Jahres die Mehrheit der Geschäftsanteile hält", bestätigte Flasse gegenüber der taz. Und er ist nicht der einzige Fahnenflüchtling: Neben dem Kölner Interims-Redaktionschef Jeroe Lvrut soll auch der Aufsichtsratsvorsitzende Ove Joanson frühzeitig von Bord gegangen sein. Die Gratiszeitung für die Fun-Generation ist nicht mehr, aber immerhin hat sich Vorstandschef Kuppel seinen Humor bewahrt: "Eines Tages" werde man vielleicht auf diesen "interessanten Markt" zurückkehren. |
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