07.04.1999 |
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Ausstieg nach dem Sieg |
Von Pascal Beucker |
Während
ein paar Grüne austreten, macht die Parteispitze für
den Kriegsparteitag an Himmelfahrt mobil. Reinhard Bütikofer ist sichtlich um Gelassenheit bemüht. Sicherlich werde - wegen des Nato-Angriffskrieges gegen Jugoslawien - in seiner Partei zur Zeit eine "sehr emotionale Debatte" geführt, bei der "auf beiden Seiten grüne Grundüberzeugungen im Spiele sind". Doch entgegen allem gespielten Gleichmut droht Bütikofer: "Es gibt einige Stimmen, die dabei sind, die Grenze einer fairen Debatte zu überschreiten. Ich fordere alle auf, sich hier zurückzuhalten." Für Karfreitag hatte der grüne Bundesvorstand kurzfristig zur Pressekonferenz ins "Haus der Geschichte" nach Bonn geladen. Die Führung des SPD-Juniorpartners sieht sich unter Handlungszwang. Wenige Monate vor den Europawahlen ist der Krieg gegen Jugoslawien zu einem gefährlichen innerparteilichen Konflikt für die Grünen geworden. Immer mehr Landes- und Kreisverbände protestieren gegen den Kriegskurs der rot-grünen Bundesregierung. Der Landesvorstand von Mecklenburg-Vorpommern hat inzwischen sogar dazu aufgerufen, der Bundestagsfraktion aufgrund ihrer Zustimmung zum Nato-Einsatz die Zusammenarbeit zu verweigern. Auf einem Sonderparteitag, den die Parteispitze vorsorglich auf einen weit entfernt liegenden Termin, den 13. Mai 1999, gelegt hat, soll nun über den Nato-Einsatz in Jugoslawien und die Konsequenzen für die Grünen beraten werden. Bütikofer gibt sich für den Kriegsparteitag siegesgewiß: "Ich gehe davon aus, daß die Position, die der Bundesvorstand in dieser Diskussion vertritt, die deutliche Mehrheit der Partei hinter sich hat." Ganz so sicher scheint sich die Kriegsbefürworterfraktion ihrer Mehrheit allerdings nicht zu sein. Mit demagogischen Mitteln versucht sie für ihre Position zu werben. So operiert der grüne Bundesvorstand mit Vertreibungszahlen aus dem Kosovo, die viele andere Schätzungen übertreffen: "Über 570 000 Menschen befinden sich derzeit auf der Flucht", verkündete am Freitag die Parteispitze zusammen mit der verteidigungspolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion, Angelika Beer. Zunehmend werden die Bomben auf Belgrad zum heroischen antifaschistischen Akt stilisiert. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, der wie Beer dem linken Parteiflügel zugerechnet wird, will seinem Chef gefallen: Milosevic, so Volmer, betreibe "eine Politik, die mit vielen Kategorien der Nazi-Politik zu vergleichen ist", die nur als "Völkermord" bezeichnet werden könne. Volmer: "Wer von dieser Analyse nicht ausgeht, ist für mich kein ernsthafter Gesprächspartner." Die Landesvorsitzenden der bayrischen Grünen, Margarete Bause und Jerzy Montag, gehen noch einen Schritt weiter: "Die Lehre aus der deutschen Geschichte lautet für uns nicht nur: Nie wieder Krieg, sondern auch: Nie wieder Auschwitz." Und wenn die Bezeichnung Milosevic' als neuer Hitler immer noch nicht die pazifistische Basis von der Notwendigkeit eines deutschen Kriegseinsatzes überzeugen kann? Dann sieht der grüne Fraktionsvorsitzende Rezzo Schlauch eine Bedrohung, die für viele Grüne noch schlimmer als Auschwitz ist: An der Kosovo-Frage werde sich "letztlich auch die Zukunft der rot-grünen Regierung entscheiden". In der Berliner Zeitung forderte Schlauch dazu auf, sich stärker mit der Politik des grünen Außenministers zu identifizieren: "Die Partei wäre gut beraten, das, was Fischer an Punkten für das Land macht, für die Grünen zu vereinnahmen." Daß die Fraktion der grünen Kriegsbefürworter nun zurückrudern muß, hat einen Grund: ihr eigenes Geschwätz von gestern. Im Programm zur Bundestagswahl 1998 hieß es: "Militärische Friedenserzwingung und Kampfeinsätze lehnen wir ab." Das ist jetzt nur noch Makulatur. Für Roland Appel, Sprecher der grünen Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, droht die Spaltung der Partei: "Das ist die schwerste Probe, die wir je bestehen mußten." Er fordert eine sofortige Beendigung der Bombardements, befürchtet jedoch eine weitere Eskalation des Krieges: "Wir sind längst auf der Rutschbahn zu Bodeneinsätzen. Die müssen wir auf jeden Fall verhindern." Da dürfte Appel auf verlorenem Posten stehen. Denn daß sich die grüne Bundestagsfraktion einem solchen Einsatz verweigern wird, ist sehr unwahrscheinlich. Der Abgeordnete Helmut Lippelt durfte in der taz bereits das Feld bereiten: "Im Zweiten Weltkrieg ist der deutsche Widerstand auch nicht durch die alliierten Luftangriffe alleine gebrochen worden. Das ist eine objektive Tatsache, vor der wir nun in Jugoslawien stehen." Trotzdem haben noch nicht alle in der Partei, die sich ehedem als friedensbewegt verstehen wollte, die neue regierungstaugliche grüne Variante des totalen Friedenseinsatzes verinnerlicht. Mit einer parteiinternen Unterschriftensammlung versuchen die Kriegsgegner nun Stimmung zu machen. Innerhalb weniger Tage unterzeichneten über 500 Grüne einen Aufruf, in dem die grünen Regierungsmitglieder und Bundestagsabgeordneten aufgefordert werden, "ihre Unterstützung der abenteuerlichen Nato-Politik zu beenden, auf die Beschlußlage der grünen Partei zurückzukehren und ihren Einfluß zu benutzen, den Angriffskrieg gegen Jugoslawien sofort zu beenden". An der Parteibasis regt sich Protest. So stehen beispielsweise im Ruhrgebiet alle Kreisverbände gegen den Kriegskurs der Bundespartei. Der Kreisvorstand der Bochumer Grünen hat gar beschlossen, den Europawahlkampf der eigenen Partei boykottieren zu wollen: "Wir sind es unserer Glaubwürdigkeit schuldig, uns nicht am Europawahlkampf zu beteiligen. Wir entschuldigen uns bei unseren WählerInnen. Eine solche rot-grüne Politik haben wir nicht gewollt." Protest kommt auch von dem nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Daniel Kreutz: "Ich schäme mich für die grüne Bundestagsfraktion." "Es gibt eine unendliche Unruhe in der ganzen Partei", stellt Hans-Christian Ströbele fest. Er ist einer der sieben grünen Bundestagsabgeordneten, die sich gegen den Militärschlag gegen Jugoslawien gestellt haben, und der informelle Wortführer der Anti-Kriegsfraktion in den Grünen. Ströbele weiß, daß Tag für Tag seine Position in der Partei schwächer wird, denn immer mehr Mitglieder stimmen auf ihre Weise darüber ab, was sie von der neuen Linie ihrer Partei halten: Sie treten aus. An sie appelliert Ströbele: "Laßt uns diesen Kampf nicht allein führen!" Doch viele halten den Kampf für verloren. So hat die frühere Bundestagsabgeordnete Halo Saibold, deren Forderung nach einer Einschränkung von Flugreisen im letzten Jahr noch für Amüsement im Wahlkampf gesorgt hatte, ihrer Partei den Rücken gekehrt. Ebenso die ehemalige bayerische Landtagsabgeordnete Ingrid Psimmas sowie der langjährige Bezirksvorsitzende von Niederbayern, Heinz Menzel, und die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Tübinger Gemeinderat, Claudia Haydt. Auch Tilman Heller reicht's. "Ich habe an den Golfkriegsprotesten 1991 teilgenommen, weil ich gegen Krieg als Mittel der Politik bin", schreibt das bisherige Landesvorstandsmitglied der Berliner Grünen an seine Partei. "Jetzt bin ich Mitglied einer Partei, die nach weniger als 200 Tagen an der Regierung den ersten Angriffskrieg der Bundesrepublik Deutschland befiehlt." Sein - unfreiwillig doppeldeutiges - Fazit: "Die historische Aufgabe der Grünen ist erledigt." Am Montag letzter Woche ist er ausgetreten. Bundesgeschäftsführer Bütikofer versucht, die Bedeutung der Austritte herunterzuspielen. Genaue Zahlen darüber, wie viele Mitglieder die Partei verlassen hätten, habe er nicht, erklärte er auf der Pressekonferenz am Freitag auf Nachfrage der Jungle World. Er könne das "nur überschlagen. Ich würde sagen, es sind bisher zwischen 100 und 200 Austritte bundesweit". Es dürften nicht die letzten gewesen sein. |
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