09.12.1999 |
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20 Kerzen für die Grünen |
Von Pascal Beucker |
Der Kreisverband von
Bündnis90/Die Grünen feiert seinen 20. Geburtstag. War das ein Auftritt! In kurzer Sporthose auf der Ratssitzung. Oberbürgermeister Burger erteilt einen empörten Ordnungsruf. Am nächsten Tag ist das Bild des grünen Ratsherrn Dieter Asselhoven auf dem Titel des Express. So etwas gehört sich nicht! Meinten die DuMontschen Sittenwächter. Lang ist's her. Über zehn Jahre. Heute wäre so etwas für ein Stadtratsmitglied der Grünen undenkbar. Denn den Kinderschuhen ist die Partei längst entwachsen und stellt sogar eine eigene Bürgermeisterin. In dieser Woche werden die Kölner Grünen zwanzig Jahre alt - und sind mittlerweile das, was sie anderen früher vorwarfen: eine ganz normale Partei. Aber durchaus erfolgreich. 15,8 Prozent bei der letzten Kommunalwahl. Ihre Kandidatin, Anne Lütkes, unterlag nur knapp dem CDU-Kontrahenten Harry Blum in der Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt. Und aus der Geschichte der Grünen, die sich erst ein Jahr später 1980 bundesweit gründeten, sind sie nicht wegzudenken: Die Kölner Grünen sind mit rund 800 Mitgliedern der größte Kreisverband der Republik. Im Landtag und im Bundestag sind sie mit mehreren Abgeordneten vertreten. Erinnert sich einer aber noch an den ersten Kölner Bundesgrünen? Erinnert sich noch einer an Hermann Schulz? Acht Jahre war er ihr oberster Kassenwart - bis zum Dezember 1988, als der Urgrüne in Karlsruhe mit dem Rest des mehrheitlich linken Vorstandes um Jutta Ditfurth und den Hamburger Christian Schmidt wegen eines inszenierten "Finanzskandals" in die Wüste geschickt wurde. Schulz begriff diese Auseinandersetzung als "existentielles Fertigmachen", als die "persönliche Vernichtung" politisch Unliebsamer, wie er auf dem Karlsruher Parteitag sagte. Schulz trat aus. Die Geschehnisse hat er nicht verwunden. Er starb im April 1990. "Wir wissen, dass Hermann auch Opfer einer innerparteilichen Kampagne wurde, die nicht ihm als langjährigem Schatzmeister, sondern einem Bundesvorstand galt, der nach Meinung einiger nicht mehr in die politische (grüne) Landschaft passte", schrieb der damalige Bundesgeschäftsführer Eberhard Walde anlässlich des Todes von Schulz. "Das war wohl der Mensch mit dem geradesten Rückgrat von uns allen", sagt Klaus Linke über den Gründungsgrünen. "Der hätte auch von seiner Art her Pfarrer sein können, hatte so etwas pastorales - aber er war grundehrlich." Linke trat 1981 den Grünen in Köln bei. "Das war noch ein richtig positiver Haufen", erinnert sich der Journalist. "Wir waren ein breites Sammelbecken von Leuten aus den sozialen Bewegungen - der Friedens-, Frauen- und Anti-AKW-Bewegung." Ebenfalls dabei: der eine und die andere, die zuvor auf den Pfaden Mao Tsetungs gewandelt waren. Und die sind immer noch da. Edith Müller ist erst in der vergangenen Woche von CDU-Oberbürgermeister Harry Blum zur neuen Europabeauftragten der Stadt berufen worden. Von 1987 bis 89 saß der heute 42-Jährige Linke für die Grünen im Kölner Stadtrat - zusammen mit Dieter Asselhoven. Aufsehen erregten die beiden, als sie als einzige im Rat - und im Widerspruch zur restlichen grünen Fraktion - gegen die Ehrenbürgerschaft von Willy Millowitsch stimmten. Dessen Stücke seien frauenfeindlich, so die Begründung der beiden Nestbeschmutzer, über die sich damals die DuMont-Presse, aber auch nicht wenige in der Öko-Partei leidlich erregten. Doch nicht nur in dieser Frage lagen die beiden Linken quer zum sich gerade formierenden Mainstream der Kölner Grünen. Sie lehnten eine feste Zusammenarbeit mit der SPD ab, während andere kräftig an Bündnissen mit den Sozis bastelten - wenn auch meist erfolglos. Bis heute. So dürften die Kölner Grünen der einzige "Realo"-Kreisverband des Landes sein, bei dem es noch nie tatsächlich zu einer rot-grünen Koalition gereicht hat. Das verhinderte die jahrzehntelange rote Arroganz der Macht - nicht die Grünen. "Aber das Wichtigste, was mir von der damaligen Zeit im Rat in Erinnerung geblieben ist, war für mich die Rettung der Alten Feuerwache," die erreichten die Grünen kurioserweise zusammen mit der CDU. Für Linke ebenfalls noch in guter Erinnerung: das - erfolgreiche - Eintreten gegen eine von der CDU geforderte Unterbringung von Roma und Sinti in Lagern. Gemeinsam mit der SPD. Eine Flexibilität, die inzwischen längst Programm der Kölner Grünen ist. So kandidierten sie denn auch zu den diesjährigen Kommunalwahlen ohne Koalitionsaussage. Und verhandelten mit den beiden großen Parteien. Nach der Wahl dann nur noch mit der CDU. Nach zehn Jahren, 1991, verließ Linke frustriert die Grünen, längst war er schon vom aktiven zum passiven Mitglied geworden. "Schon 1989 habe ich keine Perspektive in der Partei mehr gesehen." Damals hätten sich endgültig die Karrieristen durchgesetzt. Das war die Zeit des Aufstiegs für eine, die aus dem Umfeld einer Gruppe von Ex-Trotzkisten zu den Grünen gestoßen war: Kerstin Müller. Sie ist mittlerweile Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag - und als Linke nicht mehr zu erkennen. Dass die Grünen jedoch einst mit Zustimmung Müllers Flüchtlinge aus ihrem Kreisverbandsbüro werden räumen lassen, hätte sich Klaus Linke trotzdem vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen können. Auch Dieter Asselhoven hat die Grünen längst verlassen. Er ist heute in der "Ökologischen Linken" aktiv - und dort, wo er schon vor seiner grünen Zeit war: in der Hochschulgruppe "Alternative Liste". Die kurze Sporthose trägt er immer noch. |
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