20.03.1998
  Empörung über Polizisten-Urteil
Journalist in Istanbul totgeprügelt / Gericht: Keine Absicht
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Frankfurter Rundschau

*  Empörung über Polizisten-Urteil
Von Pascal Beucker

Der Journalist Metin Göktepe ist von türkischen Polizisten umgebracht worden. Das hat das Schwurgericht in der anatolischen Stadt Afyon in seiner Urteilsverkündung am vergangenen Donnerstag festgestellt.

AFYON, 19. März. Das Gericht hielt es für erwiesen, daß fünf der elf angeklagten Polizisten Göktepe Anfang 1996 zu Tode geprügelt haben, ging aber nicht von einer Tötungsabsicht aus. Daher verurteilte es nach mehr als eineinhalbjähriger die fünf zu jeweils sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Sechs weitere Angeklagte wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Das Urteil sorgte im überfüllten Gerichtssaal von Afyon für Empörung. Bis zuletzt hatte die Familie Göktepe, die im Prozeß als Nebenklägerin auftrat, auf eine Verurteilung aller Angeklagten wegen Mordes gehofft. Enttäuscht sprach Fadime Göktepe, die Mutter des getöteten linken Journalisten, von einem "Mafia-Urteil": "Mein Sohn wollte die Wahrheit wissen, deshalb mußte er sterben."

Der sozialdemokratische Parlamentsabgeordnete Sabri Ergül kritisierte: "Solche Urteile bringen die Türkei in der Weltöffentlichkeit in Verruf." Ebenso deutlich fiel die Kritik von Robert Menard aus, der für die internationale Journalistenvereinigung "Reporter ohne Grenzen" den Prozeß beobachtete. In der Türkei gelte offensichtlich zweierlei Gerechtigkeit, sagte er: Folterer und Mörder im Staatsdienst erhielten Freisprüche oder milde Strafen, "während Jugendliche, die Sprüche an Wände sprühen, zu 15 Jahren Haft verurteilt werden".

Metin Göktepe, Reporter der mittlerweile geschlossenen linken Tageszeitung Evrensel, war am 8. Januar 1996 verhaftet worden, als er in Istanbul über die Beerdigung zweier im Gefängnis erschlagener Häftlinge berichten wollte. Er wurde zusammen mit 704 weiteren Verhafteten in eine Sporthalle gebracht. Wenige hundert Meter von der Halle entfernt fand man später seine Leiche. Der Autopsie-Bericht stellte schwere körperliche Mißhandlungen fest. Die Todesursache war demzufolge eine von Knüppelschlägen verursachte Gehirnblutung. Göktepe trafen sechs Schläge am Kopf; jeder einzelne war laut Gutachten tödlich.

In einer Spontanaktion nach Prozeßende warfen rund 100 Journalisten aller größeren Zeitungen und Fernsehsender Stifte und Kugelschreiber auf einem Platz in Afyon zu Boden, um damit symbolisch gegen die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei zu protestieren. Das milde Urteil lasse sich auch als Zeichen lesen, daß Journalisten-Mörder in der Türkei wenig zu befürchten hätten, sagte der lange Zeit inhaftierte Journalist Isik Yurtçu in einer kurzen Rede. Er erinnerte daran, daß in der Türkei in den 90er Jahren 25 Journalisten umgebracht worden sind. Der Tod Göktepes sei kein Einzelfall.


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