Prozeß in Köln:
Redakteur gegen Herausgeber DuMont
Der Saal 107 im Kölner
Arbeitsgericht war am Mittwoch überfüllt. Verhandelt wurde das Thema
journalistische Freiheit.
Der Fall: Unter dem
Titel „Vielfalt, die Verwirrung stiftet“ berichtete ein freier
Journalist am 24. Juni 1996 im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Auflage:
rund 288 000) über Reiseführer. Hartmut Schergel hatte den Beitrag,
der zuvor schon in mehreren überregionalen Zeitungen veröffentlicht
und von zwei Rundfunkanstalten gesendet worden war, angenommen und
redigiert. Als verantwortlicher Redakteur für die
Reisemagazin-Beilage kündigte er zwar den Artikel in der
Redaktionskonferenz an und ließ ihn auch vom damaligen Chefredakteur
Dieter Jepsen-Föge abnehmen. Doch es half ihm nichts: Der Zorn des
Verlegers traf ihn mit voller Wucht.
„Krasses
journalistisches Versagen“, „Geschäftsschädigung“,
„Illoyalität gegenüber dem Arbeitgeber“ und Verstoß gegen die
Tendenz des Verlages wird dem Redakteur vorgeworfen. Denn wenn es um
seine Geschäfte geht, kennt der sich liberal gebende Alfred Neven
DuMont kein Pardon. Daß ausgerechnet in seinem Blatt auf die Gefahr
einer möglichen Verquickung der journalistischen Tätigkeit des
Mutterhauses M. DuMont Schauberg bei dem Münchner
Studienreiseveranstalter Klingenstein hingewiesen wurde - das ging zu
weit. Schergel wäre zu einem „publizistischen Sicherheitsrisiko“
geworden, das für den Verlag nicht länger tragbar sei, so DuMonts
Anwalt Ernst Eisenbeis.
Die Fachgruppe
Journalismus der IG Medien verlieh Alfred Neven DuMont Ende November
1996 den „Goldenen Maulkorb“: Er habe „weit über die Grenzen Kölns
hinaus gezeigt, daß er als Verleger und Herausgeber bereit ist,
faktengetreue Berichterstattung ureigenen wirtschaftlichen Interessen
zu opfern“.
Die Verhandlung vor
dem Arbeitsgericht dauerte eine halbe Stunde. Zu einer gütlichen
Einigung war der Zeitungsverlag M. DuMont Schauberg nicht bereit. Wenn
einer Verkäuferin gekündigt werden dürfe, weil sie ein Stück
Bienenstich ihres Arbeitgebers gegessen hätte, dann wäre die Kündigung
eines Redakteurs, der weit unverdaulichere Kost in die Zeitung
gebracht hätte, nur recht und billig, so der Verlagsanwalt. Er konnte
nicht überzeugen. Die Richter entschieden für Schergel. Die Kündigung
ist rechtswidrig. Neven DuMont hat die Gerichtskosten zu tragen. Er kündigte
Berufung an.
Bei
Neven DuMont müssen nicht nur wirtschaftliche, Interessen beachtet
werden. Vor zwei Jahren referierte er auf einer
„Perspektivdiskussion des Herausgebers mit den Ressortleitern“ der
„Mitteldeutschen Zeitung“. Tenor: Mit der PDS „sei ein anderer
Umgang angezeigt als gegenüber den demokratischen Parteien einschließlich
der Grünen, die ihre Demokratiefähigkeit nachgewiesen haben.“ Das
Magdeburger Modell könne mit verdeckter oder offener Duldung durch
die PDS und deren einhergehender Aufwertung nicht sein Verständnis
finden. Die Ausführungen gerieten in die Hände der
PDS-Landtagsfraktion, die eine Parlamentsdebatte ankündigte. Am
gleichen Tage veröffentlichte die „Mitteldeutsche Zeitung“ Auszüge
aus der Rede ihres Herausgebers DuMont. Obige Zitate fehlten. |