04.09.1997



Woche um Woche konfisziert

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Jungle World

*   Woche um Woche konfisziert
Von Pascal Beucker

Von "Aufstachelung zum Klassenhaß" bis zu "separatistischer Propaganda": Gründe zur Beschlagnahme der linken Tageszeitung Emek findet die türkische Justiz immer.

"Es ist wichtig für uns, zu sehen, daß wir bei unserem Kampf für Demokratie und Pressefreiheit nicht alleine stehen, sondern auf die Solidarität von Kollegen und Freunden in anderen Ländern bauen können", sagte der türkische Journalist Vedat Korkmaz der Jungle World über den Berliner "Solidaritätsbasar der Journalisten". Bis das Oppositionsblatt Evrensel im vergangenen Oktober - überzogen mit Strafverfahren und Schließungsverfügungen - geschlossen wurde, war Korkmaz dessen Herausgeber. Seit November arbeitet er als Redakteur bei der neugegründeten Tageszeitung Emek.

Emek - nur ungenau mit "Schaffen" oder "Arbeiten" zu übersetzen - kann Unterstützung gut gebrauchen. Laut amnesty international herrscht in der Türkei immer noch eine "andauernde Einschränkung der Meinungsfreiheit". Unter diesen Bedingungen eine oppositionelle, regimekritische Zeitung herauszubringen, ist ein riskantes Unterfangen. Die Macherinnen und Macher von Emek vollbringen diese Kunststück seit November vergangenen Jahres. 54 Ausgaben sind inzwischen konfisziert worden, entsprechend viele Verfahren gegen die Zeitung anhängig. Ihr wird wahlweise "Aufstachelung zum Klassenhaß" - Klassenkampf ist in der Türkei gesetzlich verboten - oder separatistische Propaganda, sprich: Kritik an der Kurdistan-Politik, vorgeworfen. Ein Gericht verurteilte im Juli den Emek-Karikaturisten Ertan Aydin zu einer Haftstrafe von elf Monaten, da sich das Militär durch eine seiner Karikaturen verunglimpft fühlte.


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